Ausgetrocknete Flussbecken, tote Fische: Seit Mitte des vergangenen Jahres wird die Amazonas-Region von einer besonders starken Dürre heimgesucht. Schon im Oktober war der Rio Negro auf einen historischen Tiefstand gesunken – in der Folge fielen Wasserkraftwerke in verschiedenen südamerikanischen Ländern aus und an vielen Stellen wurde die Schifffahrt stark eingeschränkt.
„Das hat zu enormen wirtschaftlichen Schäden, aber auch zu vielen praktischen Problemen für die lokalen Gemeinden geführt“, sagt der Meteorologie-Professor David Lapola von der Universität Campinas im Bundesstaat São Paulo, Brasilien. Lebensmittel und Medikamente hätten sie oft nicht oder nur schwer erreicht.
Wetterphänomen „El Niño“ verschärft die Lage
In Südamerika treffen aktuell zwei Phänomene aufeinander, die die Region besonders heiß und trocken machen. Zum Klimawandel kommt das Wetterphänomen „El Niño“ hinzu. Für die „Jahrhundert-Dürre“ ist laut Fachleuten aber hauptsächlich der Klimawandel verantwortlich. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der „World Weather Attribution“, einer wissenschaftlichen Initiative, die erforscht, wie die Erderwärmung zu einzelnen Wettereignissen beiträgt.
Die Ergebnisse sind laut Mitautor Ben Clarke durchaus überraschend. „Als sich die Dürre im Amazonas-Gebiet im Jahr 2023 verschlimmerte, verwiesen viele Menschen auf El Niño, um das Ereignis zu erklären“, sagte der Forscher am Imperial College London bei einer Pressekonferenz zu dem Bericht. „Während El Niño zu geringeren Niederschlagsmengen führte, zeigt unsere Studie, dass der Klimawandel durch seinen Einfluss auf höhere Temperaturen die Hauptursache für die Dürre ist.“ Durch die Erderwärmung seien die Dürren in Böden und Flüssen in der Region 30-mal wahrscheinlicher geworden.
Amazonas-Region: zu heiß und zu trocken
Die Trockenheit setzt das ohnehin angespannte Ökosystem in der Region noch weiter unter Stress: Wegen der hohen Entwaldungsraten hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder Diskussionen darüber gegeben, ob der Amazonas-Regenwald den sogenannten Klima-Kipppunkt überschritten hat.
Mit dem Überschreiten droht der Regenwald zur Savanne zu werden und damit auch einen großen Teil des in ihm gespeicherten CO2 freizusetzen. Das könnte plötzliche, verehrende Auswirkungen aufs Weltklima haben.
Zwar sind in Kolumbien und Brasilien die Entwaldungsraten im vergangenen Jahr stark zurückgegangen, abgeholzt wird aber weiterhin. Der Amazonas-Regenwald, der sich über eine Fläche von mehr als sieben Millionen Quadratkilometer erstreckt, hat schon rund ein Fünftel seiner ursprünglichen Fläche verloren.
Schutzmaßnahmen für die Amazonas-Region
Dürren wie die aktuelle werden damit in Zukunft immer wahrscheinlicher – auch weil es im weltweiten Klimaschutz nicht im nötigen Tempo vorangeht. Deshalb wären aus der Sicht von Wissenschaftler Lapola in der Amazonas-Region auch Anpassungsmaßnahmen wie zum Beispiel der Ausbau von alternativen Versorgungsrouten für Gebiete nötig. Leider sei das nicht die Priorität der jeweiligen Regierungen.
Seit Beginn des Jahres hat sich die Situation wieder ein wenig entspannt. „Es hat begonnen zu regnen“, sagt der Meteorologe Lapola. An vielen Stellen liegen die Wasserstände aber weiterhin deutlich unter dem normalen Niveau für diese Jahreszeit. „Wir gehen davon aus, dass die Dürre in den kommenden Monaten mit dem auslaufenden El Niño endet“, sagt er.
Der brasilianische Amazonas-Regenwald hat seit Beginn des Jahres dafür aber ein anderes Problem dazu bekommen: Die Umweltbehörden haben ihre Feldeinsätze aus Protest gestoppt. Sowohl die Mitarbeitenden der Umweltschutzbehörde IBAMA als auch des Instituts für Biodiversitäts-Konservation Chico Mendes fordern mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Arbeitskräfte. Unter dem Streik leidet die Prävention gegen Waldbrände, und auch Umweltverbrechen werden nicht geahndet.
Lula: „Null Abholzung“ bis 2030
Unter dem früheren rechtsextremen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro waren die Finanzmittel der beiden Behörden stark gekürzt worden. Der amtierende linksgerichtete Präsident Luiz Inácio Lula da Silva verspricht „Null Abholzung“ bis 2030 und Investitionen in den Umweltschutz. Dafür hat er im vergangenen Jahr die Löhne der Arbeiter um neun Prozent erhöht – angesichts von Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten, sei das aber höchstes ein Tropfen auf dem heißen Stein, argumentieren die Umweltbehörden.