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Der Papst und die Juden – 15 Millionen Euro für Forschungsprojekt

Seit Jahrzehnten wird gestritten, wie sich Papst Pius XII. zum Holocaust verhalten hat. Kritiker sagen, er hätte öffentlich protestieren müssen. Was Papst und Vatikan im Hintergrund taten, zeigt ein Forschungsprojekt.

Ein Forschungsprojekt des Münsteraner Kirchenhistorikers Hubert Wolf über Papst Pius XII. und seine Haltung zum Holocaust bekommt eine Millionen-Förderung. Wie der Zusammenschluss von acht deutschen Wissenschaftsakademien – die Akademienunion – am Freitag in Mainz mitteilte, erhält der an der Universität Münster lehrende Wolf (66) für sein Projekt eine Langzeitförderung von 15,4 Millionen Euro über die kommenden 25 Jahre.

Wolf und sein Team arbeiten seit mehreren Jahrzehnten in den Archiven des Vatikans. Wolfs Bücher – etwa über den Zölibat, das Unfehlbarkeitsdogma oder die Inquisition – sind Bestseller und unter anderem mit dem Leibniz-Preis und dem Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet worden. Zuletzt forschte der Historiker vor allem zu Papst Pius XII. (1939-1958) und dessen Haltung zum Holocaust. Kritiker werfen Pius, mit bürgerlichem Namen Eugenio Pacelli, vor, zur Vernichtung der Juden öffentlich geschwiegen zu haben.

Als der Vatikan 2020 die Archive zur Amtszeit des Papstes öffnete, stießen Wolf und sein Team – eher zufällig – in sechs verschiedenen Archiven auf rund 10.000 Bittschreiben verängstigter europäischer Juden, die sich zwischen 1939 und 1945 an Papst und Kurie wandten und um Hilfe baten.

Wolf machte daraus das Forschungsprojekt “Asking the Pope for help” (Den Papst um Hilfe bitten). In den kommenden Jahren sollen alle Schreiben – viele von ihnen handschriftlich und in unterschiedlichen Sprachen verfasst – entziffert, übersetzt, analysiert und in einer Datenbank veröffentlicht werden. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz wollen die Wissenschaftler auch herausfinden, wer im Vatikan wie über die Bittgesuche entschied und wie der Papst selber einbezogen war. Auch die biografischen Daten der Bittsteller und der Bearbeiter in der Kurie sollen zusammengestellt werden. Der Kirchenhistoriker betont, die Analyse dieser Quellen sei für das Verständnis des Verhaltens von Papst und Kurie im Zweiten Weltkrieg von entscheidender Bedeutung.

Das von der Akademienunion getragene sogenannte Akademienprogramm für geisteswissenschaftliche Studien ist weltweit einzigartig. Es wird einmal jährlich ausgeschrieben und richtet sich an Forschungseinrichtungen mit Sitz in Deutschland. Die Finanzierung erfolgt zu gleichen Teilen durch den Bund und die Länder.