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Der Martin und die Dame

Neulich, in der Kirche: Alle Plätze besetzt. Festliche Atmosphäre. Mitarbeiterempfang wird gefeiert, ein Dankeschön an alle, die im vergangenen Jahr fleißig daran mitgewirkt haben, dass das Gemeindeleben attraktiv und mit Ausstrahlung stattfinden konnte. Nach dem Gottesdienst geht es ins Gemeindehaus. Jetzt gibt es Suppe, Pizza, Kaffee und Kuchen. Als kleines Zeichen der Aufmerksamkeit und des Danks erhalten alle Mitarbeitenden die Playmobilfigur „Martin Luther“. Eigentlich eine Puppe aus einer Spielzeugserie für Kinder. Tatsächlich aber hat sich die seit einiger Zeit als Verkaufsschlager für Erwachsene entpuppt – das hängt auch mit der ganzen öffentlichkeitswirksamen Unruhe um das bevorstehende Reformationsfest 2017 zusammen.

Jedenfalls – die Freude ist groß. Luther als Däumling! Wie nett, so die allgemeine Stimmungslage. Der kleine Reformator ist aber auch putzig anzusehen: schwarzer Talar, schwarze Mütze. Frisur wie Prinz Eisenherz; nur in Braun. Freundlich sieht er aus, der Mini-Martin. Aber auch keck. Vor allem dadurch, dass er eine gewaltige Schreibfeder (weiß) in der rechten Hand hält, und in der linken die aufgeschlagene Bibel in Gold: „Das Neue Testament übersetzt von Doktor Martin Luther“ steht da in annähernd originaler Frakturschrift. Ein echter Hingucker.
Nur Tante H., die zögert. Ja, fragt sie zurück. Ob sie das Geschenk denn wirklich annehmen dürfe? Auf der Packung stehe, es sei für Personen im Alter von „4 – 99“. Und Tante H. hat gerade ihren 101. Geburtstag gefeiert.

(Ein Dankeschön an Dietmar Chudaska für die wundervolle Anregung zu dieser Geschichte.)