Seit einem Terroranschlag in Kaschmir, bei dem mehrere indische Bürger starben, eskaliert der jahrzehntealte Konflikt zwischen Indien und Pakistan wieder. Ein Überblick über die Hintergründe der Feindschaft zwischen den beiden Ländern:
Warum sind Indien und Pakistan verfeindet?
Der Streit wurzelt in der Teilung Indiens im Jahr 1947. Als die Kolonialmacht Großbritannien den Subkontinent verließ, gab sie den Hindus Indien und den Muslimen Pakistan. Aufgrund dieser neuen künstlichen Grenzziehung mussten 20 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen. Hindus auf nun pakistanischem Terrain ließen Hab und Gut hinter sich und zogen nach Indien, indische Muslime siedelten nach Pakistan um.
Mehr als eine Million Menschen starb bei dem Teilungsprozess. Viele Menschen erlagen auf den Trecks Hunger und Erschöpfung. Extremisten beider Religionen verübten Massaker an Angehörigen der anderen Glaubensgemeinschaft. Indien und Pakistan sind seitdem verfeindet und haben bis heute vier Kriege geführt. Die Grenze steht unter ständigem Druck, Scharmützel gehören zum Alltag. Seit 2001 gab es in Indien sechs Anschläge, die mit Terroristen aus Pakistan in Verbindung gebracht werden. Dabei sollen 350 indische Zivilistinnen und Zivilisten sowie 600 Sicherheitskräfte getötet worden sein.
Wieso hat Kaschmir eine Sonderrolle?
Das Kaschmir-Tal war bereits vor unserer Zeitrechnung Schauplatz von religiösen Disputen. Stritten zunächst Hindus und Buddhisten um die Vorherrschaft, beanspruchten ab dem 13. Jahrhundert zunehmend muslimische Machthaber das Land. Trotz unterschiedlicher ethnischer Herkunft und Weltanschauung entwickelten die rund acht Millionen Bewohner der Region eine eigene Identität, die als Kaschmiriyat bezeichnet wird und darauf beruht, Andersartigkeit anzunehmen.
Mit der Teilung Indiens musste sich der Fürstenstaat Jammu und Kaschmir entscheiden, ob er sich Indien oder Pakistan anschließt. Der damalige Maharadscha Hari Singh entschied sich für Indien. Doch die mehrheitliche muslimische Bevölkerung Kaschmirs und der Staat Pakistan waren damit nicht einverstanden.
Im Januar 1948 brachte Indien die Kaschmir-Frage vor die Vereinten Nationen. Der UN-Sicherheitsrat forderte beide Konfliktparteien auf, einen Waffenstillstand zu verhandeln. Anschließend sollte es eine Volksabstimmung geben. Doch dazu kam es nie. Seitdem schwelt der Konflikt.
Warum eskaliert der Streit jetzt?
Am 22. April verübte eine Terrorgruppe namens „Resistance Front“ einen Terroranschlag in Jammu und Kaschmir, bei dem in der Kleinstadt Pahalgam 25 indische Touristen und ein Nepalese ermordet wurden. Die „Resistance Front“ ist ein Ableger der Terrororganisation Lashkar-e-Taiba (LeT), die ihren Hauptsitz in der pakistanischen Stadt Muridke hat. Zudem gibt es laut der indischen Behörde für Terror-Abwehr NIA Hinweise auf eine Unterstützung durch den pakistanischen Geheimdienst ISI. Daraufhin kündigte die indische Regierung Vergeltungsmaßnahmen an.
Am Mittwoch gab das indische Verteidigungsministerium bekannt, bei der Anti-Terror-Operation „Sindoor“ neun Ziele in Pakistan und im von Pakistan verwalteten Teil Kaschmirs angegriffen zu haben. Die Operation habe sich gegen die Infrastruktur von drei großen Terrororganisationen gerichtet, darunter auch LeT. Dabei wurden laut indischen Medien über zehn Zivilistinnen und Zivilisten getötet. Der pakistanische Premierminister Shehbaz Sharif kündigte bereits Vergeltung an. Seitdem wird von beiden Seiten aus geschossen.
Warum ist der Konflikt brandgefährlich?
Indien und Pakistan sind im Besitz von Nuklearwaffen. Bei einer atomaren Eskalation könnten Millionen Menschen getötet werden – die ganze Region ist dicht besiedelt. Die ökonomischen und ökologischen Folgen wären verheerend.
Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht: Die territorialen Ansprüche beider Länder auf Kaschmir sind nicht gelöst. Die hohe Militarisierung auf beiden Seiten entlang der Grenze kann jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen führen. Die Mischung aus historischem Misstrauen, Nationalgefühl und politischem Druck lässt wenig Raum für Kompromisse. Ein Krieg zwischen den Erzfeinden könnte internationale Akteure wie China, USA und Russland mit in die Krise ziehen und aus dem regionalen einen globalen Konflikt machen.