Bisweilen ist die Zuschreibung eines Gemäldes eine Sache von wenigen Zentimetern. Caspar David Friedrich jedenfalls habe einige seine großformatigen Werke auf Leinwänden im Format 170 mal 135 Zentimetern gemalt, sagt die Diplom-Restauratorin bei der Direktion Museen der Klassik Stiftung Weimar, Anna Krone. Das vermutlich 1810/11 entstandene Bild „Mond über dem Riesengebirge (Bergkette mit Mond)“ komme jedoch in einem sehr ungewöhnlichen Format daher. Es messe 167 mal 47,5 Zentimeter.
„Als ich entdeckt habe, dass die Leinwand in der Breite einmal auf einen neuen Rahmen gesetzt und ein Teil der Malschicht zur Seite umgeschlagen wurde, habe ich mich gefreut“, sagte Krone. Denn mit den fehlenden Zentimetern an den Seiten komme das Werk wieder auf 170 Zentimeter.
Zwar besteht an der Echtheit des um 1810 gemalten Werks kein Zweifel, da das Gemälde schon 14 Jahre später als Caspar David Friedrich (1774-1840) in der großherzoglichen Kunstsammlung geführt wurde. Krone kann jedoch viele Gründe anführen, die die Echtheit des Werks zusätzlich untermauern.
Denn eine Kunstrestaurierung ist oft genug auch Detektivarbeit. „In Zeiten von Infrarotuntersuchungen, Spektralanalysen und chemischen Analyseverfahren zu Art und Beschaffenheit der Farben steckt inzwischen auch ein guter Teil High-Tech-Forschung in jeder umfassenden restauratorischen Arbeit“, sagt Gemälderestauratorin Anne Levin. Die Vorstellung, dass Restauratoren mit Lupe und Pinsel vor der Staffelei sitzen, um Fehlstellen auszubessern, beschreibe nur den kleinsten Teil der täglichen Arbeit.
Und so hat auch Anne Krone in Vorbereitung der großen Weimarer Winterausstellung „Caspar David Friedrich, Goethe und die Romantik in Weimar“ rund 600 Stunden als wissenschaftliche Volontärin der Klassik Stiftung Weimar an dem Gemälde gearbeitet. Für sie ist es ein fulminanter Einstieg ins Berufsleben. Denn die Arbeit an und mit Caspar David Friedrichs Werk war ihre erste große Aufgabe nach dem 2022 beendeten sechsjährigen Diplomstudium Kunstrestaurierung an der TU Dresden – eine Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung sowie Kunsthistorikern in ganz Europa inklusive. Wohl niemand kennt sich inzwischen so gut aus mit diesem Bild wie die erst 27-Jährige.
Die Restaurierung als Forschung begreifbar machen ist ein Ziel der Ausstellungsmacher, zu denen auch die Direktorin der Museen der Klassik Stiftung, Annette Ludwig, gehört: „Wir präsentieren ab dem 22. November im Schiller-Museum nicht nur zum ersten Mal den gesamten Weimarer Friedrich-Bestand, bestehend aus drei Gemälden und acht Zeichnungen und einigen Druckgrafiken Caspar David Friedrichs. Wir wollen auch die bislang unbekannten oder kaum wahrgenommenen Geschichten hinter den gezeigten Werken erzählen.“ So solle geklärt werden, wie die einzelnen Werke nach Weimar kamen. Oder weshalb Weimar die Karriere Friedrichs entscheidend befördert habe. Auch die Rolle der Skizzenbücher im Werk des Romantikers sei Thema der Ausstellung.
Denn Caspar David Friedrich hat keine realen Landschaften gemalt. Immer wieder habe er sich aus seinen Skizzenbüchern bedient und verschiedene Landschaftsteile miteinander kombiniert. Und so entspreche der Gebirgszug unter dem weißen Mond der Großen Sturmhaube im Riesengebirge. Allerdings seien die Gipfel unnatürlich spitz. Und eine kleine Felsformation am unteren Bildrand habe der Künstler um 1810 im sächsischen Rathen gezeichnet und in diesem Werk wiederverwendet.
Der nur im oberen Teil abgebildete Felsen im Vordergrund liefert einen Hinweis darauf, wie der untere Teil des Gemäldes aussehen könnte. Denn das berührt noch ein Geheimnis des Werks: Schon vor 1824 hat jemand die vermutlich unteren 90 Zentimeter des Bildes abgeschnitten und die Leinwand an der Trennstelle dubliert: „Warum und wer? Wir wissen es nicht“, sagt Museumschefin Ludwig.