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Der Applaus entscheidet

Bei den so genannten Poetry Slams werden selbst geschriebene Texte einem Publikum vorgetragen, das den Sieger kürt. So wie kürzlich in der Reinoldikirche in Dortmund

Ein Montagabend. Und eine volle Reinoldikirche. Mitten in Dortmund. Rund 500, zumeist junge, Leute. Es ist ein kalter Februartag, doch es herrscht fröhliche Stimmung. Es wird geredet und gelacht, die Wände der Kirche sind in buntes Licht getaucht. Es wird still. Punkt 20 Uhr geht es los: Ein Poetry Slam zum Thema „Fairdächtig“. Im Deutschen übersetzt man den Ausdruck „Poetry Slam“ am ehesten mit „Dichterwettstreit“.
Obwohl nicht nur gedichtet wird. Die sechs Mitwirkenden bieten viele Ausdrucksformen: Lyrik, Gesang, Prosa, Wortspiel und Comedy. Nicht alles andächtig, aber alles eigene Texte. Ob es fair zugeht in der Welt, diese Frage greifen die sechs „Slammer“ auf – jedoch auf sehr unterschiedliche Weise. „Keine Sorge, ich sehe nur aus wie Jesus“, erklärt Bo Wimmer aus Marburg und hat die Lacher auf seiner Seite. Mit langem Bart und langen Haaren spricht er wortgewandt gegen Krieg und Armut und schafft den Spagat zwischen Spaß und Lachen, das einem im Halse stecken bleibt.
Frederike Jakob aus Erlangen fesselt die Gäste mit einem Text über desillusionierte Träume. Als Kind habe sie noch gesungen: „Kleine Europäer rücken immer näher.“ Sie fragt, was aus diesen Kinderträumen geworden ist. Die Besucherinnen und Besucher sind sichtlich angetan. Sie lachen und klatschen und lauschen den Beiträgen, die immer wieder auch betroffen machen. Der Moderator mit dem Künstlernamen Sebastian23, führt sprachlich elegant und mit viel Humor durch das zweistündige Programm.
„Es ist schon etwas Besonderes, in einer Kirche aufzutreten“, bekennt Felix Römer aus Berlin, um dann einen kraftvollen Text vorzutragen („Werte entehrte Gelehrte unter der Erde“). So wird an diesem Abend gereimt und geschrien, geweint und geflüstert. Darunter Sätze wie: „So klein die Erde, umso viel größer könnte meine Menschlichkeit sein.“
Oder das bittere Wort an einen Soldaten: „Du sehnst dich nach dem Tod, um niemanden mehr sterben zu sehen.“ Schließlich kürt das Publikum per Applaus die Siegerin des Wettbewerbs: Frederike Jakob begeistert das Publikum eindeutig am meisten, dicht gefolgt von Rainer Holl aus Dortmund.
Als Organisatoren helfen Pfarrerin Susanne Karmeier (Stadtkirchenarbeit Reinoldi) und Felix Eichhorn (Evangelische Erwachsenenbildung) dem Moderator bei der Siegerehrung. Am Ende: Erleichterte Dichter und ein glückliches Publikum. Auch manches zum Nach- und Weiterdenken war dabei. Nicht zuletzt die Anregung: „Was machen wir mit den Mauern in unseren Köpfen? Vorschlag: Hammer!“