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Den Ehrenamtlichen der Telefonseelsorge begegnet Einsamkeit täglich

Die Leiterin der Evangelischen Telefonseelsorge in Hamburg, Babette Glöckner, spricht über die Einsamkeit, die den Ehrenamtlichen am Telefon begegnet und was aus ihrer Sicht am besten dagegen hilft.

Einsame Menschen können sich nur selten aussuchen, ob sie mit jemandem zusammen spazieren gehen oder alleine
Einsame Menschen können sich nur selten aussuchen, ob sie mit jemandem zusammen spazieren gehen oder alleineUnsplash / Jeremy Bishop

Frau Glöckner, gibt es Zeiten, in denen Einsamkeit häufiger ein Thema am Telefon ist als sonst?
Babette Glöckner: In der Telefonseelsorge haben wir eigentlich immer das Gefühl, dass wir nur die Spitze des Eisbergs erreichen. Viele kommen mit ihren Anrufen gar nicht durch und wir wissen nicht, wie viele von denen, die nicht durchkommen, an Einsamkeit leiden. Es gibt Studien, die sagen, dass in Großstädten immer Einsamkeit grassiert. Und dann gibt es andere Studien, die ein gesteigertes Einsamkeitsgefühl im Sommer feststellen. Gesichert mag ich das nicht sagen.
Uns begegnet das Thema zu jeder Zeit sehr oft. Wir als Telefonseelsorge sind ein Hafen für unendlich viele Menschen, die sich sozial ein Stück im Aus befinden. Einsamkeit betrifft sehr viele Menschen, auch manchmal solche, die eigentlich gut vernetzt sind und plötzlich in einer Krise feststellen, dass andere doch nicht so für sie da sind, wie sie dachten. Dann entsteht ein plötzliches Einsamkeitsgefühl. Bei vielen unserer Anrufer handelt es sich um chronifizierte Einsamkeit und das ist schwierig.

Was meinen Sie damit?
Menschen sind Beziehungswesen. Wir brauchen Resonanz von anderen. Wir können uns schwer selbst erfinden. Rückmeldung von außen ist zum Beispiel wichtig, um Bestätigung zu erhalten oder auch notwendige Korrekturen am eigenen Verhalten vorzunehmen. Je weniger Resonanz wir bekommen, desto unsicherer werden wir – oft auch unbewusst. Und je unsicherer wir werden, desto mehr ziehen wir uns womöglich zurück. Ein Teufelskreis beginnt.

Babette Glöckner leitet die Evangelische Telefonseelsorge in Hamburg
Babette Glöckner leitet die Evangelische Telefonseelsorge in HamburgDiakonie Hamburg / Tina Taege

Wie kommt es dazu, dass Menschen einsam werden, was können Gründe dafür sein?
Die Gründe fangen oft schon früh in der Kindheit an. Aus meiner Sicht spielt das eigene Selbstwertgefühl eine große Rolle. In der Kindheit werde ich wahrgenommen und bewertet und je nachdem wie, entwickeln sich zum Beispiel schon früh Ängste und Vorbehalte. Sie beeinflussen meine Selbstwahrnehmung, aber auch die Art und Weise, wie ich mein Gegenüber wahrnehme. Wichtig wäre, die eigenen Phantasien und Befürchtungen immer zu überprüfen. Das bedeutet, in den Kontakt zu gehen und diesem gerade nicht auszuweichen. Was aber leider oft der Fall ist. Es lohnt sich auch, den eigenen Beziehungsanspruch dann und wann zu überprüfen. Oft ist ja ein hoher Anspruch mindestens unbewusst auch ein Schutz vor Beziehung.

Das heißt, nicht jeder erlebt Einsamkeit?
Ich denke, dass sich jeder mal einsam fühlt. Aber es gibt Unterschiede darin, ob man dieses Gefühl überwindet oder nicht. Außerdem hat es einen großen Einfluss, wie Einsamkeit in einer Gesellschaft bewertet wird. Wem zum Beispiel suggeriert wird, dass er an seiner Einsamkeit selbst schuld ist, dem hilft man ganz und gar nicht.

Es gibt ja durchaus Menschen, die die Einsamkeit suchen. Gibt es einen Unterschied zwischen selbstgewählter und ungewollter Einsamkeit?
Aus meiner Sicht sind langanhaltende Einsamkeitsgefühle immer eine Problemanzeige. Wer am Seelsorgetelefon sagt, er sei einsam, verbindet einen Leidensdruck damit. Das, was Sie „selbstgewählte Einsamkeit“ nennen, würde ich als „selbstgewähltes Alleinsein“ bezeichnen. Aus unterschiedlichen Gründen: oft, um einer ständig herrschenden Reizüberflutung zu entgehen, mit dem Bedürfnis nach Ruhe und Konzentration.

Wen betrifft Einsamkeit?
Alle. Jede Altersstufe, jede Gesellschaftsschicht. Allerdings begünstigt Armut Einsamkeit dadurch, dass man an Dingen nicht teilhaben kann, weil einem das Geld fehlt.

Was raten Sie denn Menschen am Telefon, die sagen, dass sie einsam sind?
Zunächst muss man sagen, dass die meisten Menschen am Telefon eben nicht sagen, dass sie einsam sind. Einige sind sich dessen gar nicht bewusst. Für andere ist das Thema zu scham- und schuldbehaftet. Die Ehrenamtlichen am Telefon spüren oder fühlen mehr, dass der andere einsam ist. Im besten Fall kommt es im Gespräch dazu, dass die Seelsorgenden das Thema direkt ansprechen. Denn es als Problem überhaupt zu benennen, wäre der erste Schritt in die richtige Richtung.

Was braucht es aus Ihrer Sicht, um aus der Einsamkeit zu kommen?
Ich denke, es braucht vor allem Mut und der muss wachsen. Dabei können wir mit der Telefonseelsorge helfen. Wir bieten die Gelegenheit, in einem geschützten Raum darüber zu sprechen, sodass die Anrufenden vielleicht nach und nach genügend Mut aufbauen, um „draußen“ Begegnungen zu wagen und sich auf echte Beziehung einzulassen.
Wir nehmen die AnruferInnen mit ihren Sorgen ernst, helfen ihnen ihre Bewertungen und Wertmaßstäbe zu hinterfragen und können sie vielleicht anschubsen, sodass sie darüber nachdenken, was sie denn eigentlich von Beziehungen erwarten und warum. Der Weg aus der Einsamkeit ist nicht einfach, das kann man nicht anders sagen­.

Was hilft denn gegen Einsamkeit?
Das beste Mittel ist ein starkes Selbstbewusstsein. Ein starkes Selbstbewusstsein kann nicht so schnell einsam sein.