Artikel teilen:

Das gesamte Spektrum nutzen

Mit viel Zuversicht gingen die Kirchenmusiker*innen in den Herbst und Winter. Mit einer erneut so angespannten Lage hatte kaum jemand gerechnet. Nun geht es darum, die Möglichkeiten zu nutzen, die da sind und nicht die Hoffnung zu verlieren, sagt Landeskirchenmusikdirektor Gunter Kennel im Interview mit Constance Bürger.

Herr Kennel, wie ist die Stimmung derzeit bei den Kirchenmusikerinnen und -musikern in der Landeskirche? 

Nach den Sommermonaten gab es Zuversicht und Motivation für neue Planungen und Projekte, auch Phantasie und Kreativität, um zahlreiche kirchenmusika­lische Aktivitäten im Herbst und Winter zu ermöglichen. Aber inzwischen überwiegt die Frustration.

Wie groß ist die Verunsicherung? 

Es sind eigentlich zwei Formen von Verunsicherung. Die eine bezieht sich auf das, was an Weihnachten überhaupt möglich sein kann. Es ist gerade alles wieder sehr schwer und nicht verlässlich planbar. Das zermürbt. Und die andere ist natürlich die Verunsicherung, dass die Bedrohung durch das Virus zunimmt. Das drückt die Stimmung noch umfassender.

Wie gehen die Gemeinden praktisch mit den aktuellen Vorgaben bezüglich des Musizierens um? 

Die EKBO bietet mit ihren gottesdienstlichen Rahmenkonzepten verschiedene Möglichkeiten zum Singen und Musizieren, abhängig von den Zugangsbedingungen 0G, 3G oder 2G beziehungsweise 2G+ und den Parametern, die nach den staatlichen Vorgaben zu beachten sind wie die Hospitalisierungsrate. Nach meinem Eindruck setzen die Gemeinden dieses Spektrum an Möglichkeiten in voller Breite ein. Wenige haben sogar die Mühe auf sich genommen, eigene Hygienekonzepte zu entwickeln, was auch möglich ist, solange sie sich an die jeweils geltenden Verordnungen ihres Bundeslandes halten. 

Unter welchen Bedingungen dürfen Chöre und Bläser aktuell auftreten und proben? 

Auch das ist in den Konzepten geregelt. Manchmal sind wir landeskirchlich mit etwas Verzögerung unterwegs, weil die sich gerade wieder sehr schnell ändernden Vorgaben der drei Bundesländer meist zu unterschiedlichen Zeitpunkten erscheinen. 

Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen Ungeimpfte nicht mehr am kirchlichen Musikleben teilnehmen können? 

Ja, solche Fälle sind mir bekannt. Durch die staatlichen Vorgaben, dass bei Proben und in Veranstaltungen mindestens 2G gewährleistet sein muss, ist das unausweichlich. Es geht ja darum, den gesundheitlichen Schutz von Ungeimpften zu gewährleisten ebenso wie den Schutz der Allgemeinheit vor der Überlastung des Gesundheitssystems. Ungeimpfte sind nach allem, was wir wissen, in dieser Pandemiesituation einem wesentlich höheren Ansteckungs- und Verbreitungsrisiko ausgesetzt. Ich habe volles Verständnis dafür, wenn sich zum Beispiel ein Chor aus dieser gesamtgesellschaft­lichen Solidarität heraus jetzt noch vorsichtiger verhält, als es nach den Regelungen möglich ist. 

Was hat die Kirchenmusik aus der Vergangenheit lernen können? 

Die Erfahrungen aus den ersten Wellen waren schädlich für den gesamten Kulturbereich und damit auch für die Kirchenmusik. Das hat uns aber auch robuster gemacht. Diese Erfahrungen können uns nun helfen, die gegenwärtige Welle zu überstehen und das, was wir in den ersten Wellen an neuen Möglichkeiten für die Arbeit gelernt haben, wieder einzusetzen. 

Dennoch denke ich, dass diese Welle nochmal die Belastungen für die Personen und Ensembles und für deren Motivation erhöht. Umso wichtiger ist es, dass wir weiter durchhalten. Und dass wir als ganze Kirche wie in den einzelnen Gemeinden, trotz aller Unterschiedlichkeit in der Bewertung mancher Maßnahmen, uns den Zusammenhalt und den Willen bewahren, diese Krise gemeinsam zu meistern. Das gemeinsame Feiern von Gottesdiensten ist dafür ein wichtiger Erfahrungsraum. Ich setze mich dafür ein, dass in unseren Gottesdiensten selbst in einer sehr angespannten Pandemielage weiterhin ein verantwortbares Minimum an Musik möglich ist, ausgeführt durch bestens geschützte Musizierende.

Gunter Kennel ist Landeskirchenmusikdirektor der EKBO.