Es ist das Comeback des Jahres: Stefan Raab moderiert wieder Shows, diesmal bei RTL+. Leider kommt ihm bei “Du gewinnst nicht die Million!!!” der Zeitgeist dazwischen. Und sein unverwüstliches Ego.
Vor knapp neun Jahren, nein – da war die Welt natürlich auch schon längst nicht mehr in Ordnung. Banken, Klima, Staaten, selbst VW steckte dank Dieselskandal tief in der Krise. Und dann geschah obendrein das Unfassbare: Stefan Raab trat von der Bühne, die er in Deutschland seit 1993 geprägt hatte wie kaum ein anderer vor ihm und gewiss keiner da-nach. Da war es buchstäblich ein Paukenschlag, als das ProSieben-Gewächs vorigen Samstag parallel zum Schlagabtausch mit Regina Halmich sein Comeback bei RTL verkündete.
Am Mittwochabend war es dann auch schon so weit: Zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr ging “Du gewinnst hier nicht die Million!!!” auf Sendung, raabgerecht nur echt mit den drei Ausrufezeichen plus Selbstbeschreibung, in den nächsten 90 Minuten nicht weniger als die “erste Entertainment-Quiz-Competition-Show der Welt” abzuliefern. Große Worte eines großen Entertainers, die er mit dem Großmaul-Rocksong “Stefan Raab is back in town / jetzt gibt’s ‘n paar aufs Maul” untermalte.
Fast wäre man geneigt zu sagen: als wäre er nie weg gewesen. War er aber. Und zwar für die Verhältnisse unserer rasenden Zeit ziemlich lange. Zu lange. Lange genug jedenfalls, damit die einzige Innovation im Grunde darin bestand, dass der Buzzer, mit dem Raab früher in “TV total” seine merkwürdigen Einspielfilme abgespielt hatte, durch ein Tablet ersetzt wurde. Auf Fingerwisch sondert es nun Zitate von Florian Silbereisens Traumschiff-Kapitän ab. Schon lustig. Aber auch ziemlich gebraucht. Wie nahezu alles an der Sendung.
Nur der Form halber zur Erklärung von “Du gewinnst hier nicht die Million, die erste Entertainment-Quiz-Competition-Show der Welt”, kurz DGHNDMDEEQCSDW: Nach einer halben Stand-up-Stunde müssen fünf Kandidaten eine Frage aus eben dieser beantworten, um jenen Platz zu ergattern, auf dem dann auf seinem Weg zum Millionengewinn eine Mischung aus Multiple-Choice-Fragen und Spieleaction bewältigen muss. Einige davon im direkten Duell mit dem Moderator.
Klingt schwer nach einer Kombination aus “Schlag den Raab” und “Wer wird Millionär” mit einer Auftaktprise “TV total”. Zumal Raab sich von ProSieben nicht nur Sebastian Pufpaffs Studioband “Heavytones” zurückgeholt hat, sondern als Schiedsrichter auch noch den unvermeidlichen Elton. Und so bittet der Ex-Praktikant seinen Ex-Ausbilder darum, sich durch Maschendrahtzäune zu schneiden oder Reifen zu wechseln.
Es sind Jungsdinge, die ihm einst den Ruf des ehrgeizigsten Showmasters aller Zeiten eingebracht hatten. Ein musikaffiner Kindskopf mit dem Geschäftssinn eines Investmentbankers, der früher als alle anderen seine eigenen Ideen produzierte und damit Einfluss, ja Macht erlangte. Der die Aufmerksamkeitsindustrie um Wok-Weltmeisterschaften, Böörti Vogts und Lena Meyer-Landrut bereicherte. Der Quotenerfolge am Fließband produzierte und dennoch stets aus voller Überzeugung handelte. Der also, mit zwei Worten, ein großartiger Entertainer war. Vergangenheitsform.
Denn von alledem ist praktisch nichts mehr geblieben. Mit fast 58 ist sein Körper zwar ähnlich intakt wie sein spektakuläres Gebiss; mit dem aber kann er nicht mehr so kraftvoll zubeißen wie in seiner Glanzzeit der Nullerjahre. Wenn Raab Witze über Peter Maffays Warze, Harald Glööklers Botoxunfälle und immer, immer, immer wieder Regina Halmichs Kampfwunden macht, wirken sie aus der Zeit gefallen wie sein altbackener Kampfbegriff “Tussi”, den wirklich niemand außer ihm mehr benutzt.
Der Kameraschwenk ins lachende Publikum landete denn auch verlässlich auf einer Mehrzahl von Gästen mit versteinerter Miene, die während der endlosen Spiele vermutlich ebenso sanft weggedöst sind wie bei einer minutenlangen Reportage aus der Umkleidekabine vor dem Halmich-Fight. Dass RTL ihm dafür statt Gage ein Streamingabo zahlt, war demnach vielleicht ernster gemeint als all die selbstreferenziellen Flachwitze über Jürgen Milski, deutsche Schlager und Herzzeichen, die für ihn der neue Stinkefinger sind. Puhh.
Als DGHNDMDEEQCSDW nach einer sagenhaft öden Autoreifenwechsel-Challenge (ohne Millionen-Gewinn, versteht sich) mit Sieger Oliver aus Karlsruhe endet, wirkt daher nicht mal Stefan Raab selbst sonderlich enttäuscht über die Abschlusssirene. Sie klingt ein wenig nach Erlösung. Leider nur bis nächsten Mittwoch.