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Das Beste suchen

Hinhören und hinsehen, auf andere hören. Gedanken zum Predigttext am 21. Sonntag nach Trinitatis. Von Christoph Polster, beauftragter Pfarrer für die Versöhnungs- und Nagelkreuzarbeit in der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus – Menschenrechtszentrum.

Predigttext am 21. Sonntag nach Trinitatis: Jeremia 29,1.4–7.10–14Dies sind die Worte des Briefes, den der Prophet Jeremia von Jerusalem sandte an den Rest der Ältesten, die weggeführt waren, an die Priester und Propheten und an das ganze Volk, das Nebukadnezar von Jerusalem nach Babel weggeführt hatte. So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels, zu allen Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen: Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet. Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl. Denn so spricht der Herr: Wenn für Babel siebzig Jahre voll sind, so will ich euch heimsuchen und will mein gnädiges Wort an euch erfüllen, dass ich euch wieder an diesen Ort bringe. Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung. Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten, und ich will euch erhören. Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr, und will eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen Orten, wohin ich euch verstoßen habe, spricht der Herr, und will euch wieder an diesen Ort bringen, von wo ich euch habe wegführen lassen.

VonChristoph Polster

Worin besteht eigentlich „der Stadt Bestes“? Das Beste, was uns in Stadt und Land passieren kann, das ist der Schalom Gottes: Gottes Frieden, wo Leib und Seele geheilt ist, wo jede und jeder Einzelne und die Beziehungen untereinander heil werden.Es gehört zum politischen Tagesgeschehen, dass es genau um diese Fragen geht, dass Antworten darauf gesucht werden, dass Spannungen und Konflikte ausgehalten werden und schließlich entsprechende Umsetzungsmöglichkeiten gefunden werden. Dabei geht es sowohl um Fragen des individuellen Zusammenlebens als auch um die des politischen Alltags. Welche Entscheidungen sind – zum Beispiel in der Lausitz – hinsichtlich einer lebenswerten und ressourcengerechten Umwelt zu treffen, ohne dabei die Erhaltung oder Schaffung entsprechender Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten aus dem Blick zu verlieren? Eine andere brennende Frage stellen Menschen: Wie verhalte ich mich, wenn ich mir gut bekannte und liebenswerte Menschen treffe, die ihre berechtigten Fragen und Nöte meinen bei einer Demonstration los zu werden, die mit verfassungsfeindlichen Symbolen und menschenverachtenden Reden einhergehen? Worin besteht „der Stadt Bestes“?In unserem biblischen Text hören wir, dass Jeremia schon vor dem Untergang Jerusalems im Jahr 586 vor Christus dazu aufgerufen hatte, die bestehenden Machtverhältnisse unter dem König Nebukadnezar, um des Überlebens willen, anzuerkennen. Andere Propheten hatten dagegen gesprochen: Juda müsse Widerstand leisten. In diese kontroverse Situation hinein schreibt Jeremia. Der Prophet fordert auf, alle Kraft auf Gestaltung des Gemeinwesens zu legen: Häuser zu bauen, Gärten zu bestellen, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Nein, nicht erst in zwei Jahren … jetzt!

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