Schon wieder ein Ass auf den Tisch! Dem Kartenspieler gegenüber steht das Misstrauen ins Gesicht geschreiben: Kann das mit rechten Dingen zugehen?
Streit steht im Raum; erhobene Fäuste, grimmige Mienen. Nur ein Schwur kann jetzt noch helfen: Bei Gott, ich bin kein Falschspieler! Der Beschuldigte weist auf das Kruzifix an der Wand, um seiner Unschuldsbeteuerung Nachdruck zu verleihen.
Das aber wird ihm nichts helfen. Denn der Betrachter der Szene weiß: Hier ist das 2. Gebot (nach reformierter Zählung 3. Gebot) dargestellt. „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.“ (2. Mose 20,7). Martin Luther erklärte dazu im Kleinen Katechismus: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir bei seinem Namen nicht fluchen, schwören, zaubern, lügen oder trügen, sondern denselben in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken.“ Der Kartenspieler hat also sein Urteil selbst gesprochen. Vermutlich war sein Ende kein gutes.
Diese eindrückliche Szene findet sich im lippischen Sonneborn, in einem schlichten weißen Kirchlein, das von außen ganz unscheinbar wirkt. Innen aber offenbart es einen Schatz, der seinesgleichen sucht: Das Gewölbe ist komplett ausgemalt mit Illustrationen zum Leidensweg Christi, zu den Zehn Geboten und zum Vaterunser.
„Das war das Bildungsprogramm der Reformation“, erklärt Pfarrerin Victoria Keil, die sich intensiv mit den Malereien in der Sonneborner Kirche auseinandergesetzt hat. Den Gläubigen sollte vor Augen geführt werden, was das Wort Gottes bedeutete. Schon früh wurden daher die reformatorischen Bibeldrucke und Katechismen mit Holzstichen illustriert. Kein geringerer als Lucas Cranach der Ältere entwarf die Bilder für den Kleinen Katechismus, die sich dann in mehr oder weniger abgewandelter Form in ganz Deutschland verbreiteten. Die Motive in Sonneborn zeigen eine besonders enge Verwandtschaft zu Katechismen, die im Frankfurter Raum erschienen waren.
Gebote werden drastisch in Szene gesetzt
Die Verbildlichungen der Gebote sind drastisch: Da drischt ein Bauer sein Getreide, während die fromme Gemeinde im Gottesdienst dem Pfarrer lauscht – „Du sollst den Feiertag heiligen“. Da schwingt Kain das Schwert, um seinen Bruder Abel zu erschlagen – „Du sollst nicht töten“. Da schleichen sich einige Schurken aus der Kirche, die Beutel mit dem Inhalt des Opferstocks in der Hand – „Du sollst nicht stehlen“. Da beschuldigen die beiden Alten vor Gericht fälschlich die schöne Susanna des Ehebruchs – „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“.