Am 7. Oktober wird in diesem Jahr in vielen christlichen Gemeinden Deutschlands das Erntedankfest gefeiert. Aber woher stammt die Tradition eigentlich, und worum geht es?
• Was wird an Erntedank gefeiert?
Wie der Name schon sagt, danken Kirchen und Landwirte für die eingebrachte Ernte. Die Christen erinnern daran, dass der Ertrag auf den Feldern nicht nur vom eigenen Fleiß abhängt. In allen Religionen wird „die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit“, wie es im Gottesdienst heißt, auch als Geschenk Gottes angesehen. In einer aktuellen Deutung weisen viele Gemeinden heute zudem auf die Gefährdung der Natur hin, auf Umweltschutz oder Entwicklungshilfe. Manche verbinden dies mit einer Solidaritätsaktion für Menschen, die Not und Hunger leiden.
• Wie wird gefeiert?
In der Kirche wird der Altar geschmückt mit Früchten, Gemüse, Blumen und Getreideähren. In manchen Gemeinden gibt es Prozessionen und aufwendig gestaltete Blumen- und Früchteteppiche (siehe Seite 13). In einigen Gegenden werden Erntekränze geflochten oder Erntekronen gebastelt.
• Seit wann wird Erntedank gefeiert?
Riten und Feste, um sich für eine gute Ernte zu bedanken oder um sich vor Ernteausfällen durch Unwetter und andere Schäden zu schützen, gab es zu allen Zeiten und in allen Kulturen. Im Judentum ist schon in alttestamentlicher Zeit ein Fest nach der Ernte bezeugt: „Das Laubhüttenfest (sukkot) sollst du halten sieben Tage, wenn du eingesammelt hast von deiner Tenne und von deiner Kelter“ (Dtn 16,13). Ausdrücklich werden Knechte, Mägde und Fremdlinge mit einbezogen in die Feierlichkeiten – der Dank ist also gleichzeitig ein Aufruf zum Teilen. Als weitere Aspekte kommen die Erinnerung an die Wüstenwanderung Israels und die Freude an der Tora hinzu.
Die Christen feiern seit dem dritten Jahrhundert. Einen einheitlichen Termin gibt es nicht (siehe unten).
• Gibt es einen Bezug zur Bibel?
Man könnte das Erntedankfest auf das erste Buch Mose zurückführen. Dort wird beschrieben, dass der Ackerbauer Kain einige Früchte seiner Felder opferte und sein Bruder, der Hirte Abel, ein Jungtier aus seiner Herde. Das Thema Ernte und seine besondere Bedeutung spielt auch in vielen anderen Texten eine wichtige Rolle, nicht zuletzt in einigen Gleichnissen Jesu.
• Welche liturgischen Texte sind für den Erntedank-Gottesdienst vorgesehen?
Das zentrale Thema des Erntedank-Sonntags ist neben dem Dank für Gottes gute Gaben die Aufforderung zum Teilen. Das klingt schon im Evangelium an, der Geschichte vom reichen Kornbauern (Lukas 12,15-21): Geiz und Habgier zerstören die Beziehung zu Gott. Den gleichen Aspekt hebt der Text aus der Bergpredigt hervor (Matthäus 6,19-23). In der alttestamentlichen Lesung (Jesaja 58,7-12) wird ausdrücklich zum Teilen mit den Armen aufgerufen; im 2. Korintherbrief geht es um das Wachstum „geistlicher“ Saat, also gerechter Werke. Auch der Text aus dem Hebräerbrief verbindet den Dank untrennbar mit dem Teilen (Hebräer 13,15-16). Der Predigttext in diesem Jahr (1. Timotheus 4,4-5) betont, dass alle Gaben erst dann sinnvoll genutzt werden können, wenn man sie auf Gott als ihren Urheber zurückführt und dafür dankt.
Als Psalm wird Psalm 104 gelesen, das jubelnde „Lob des Schöpfers“.
• Wann wird gefeiert?
Nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Wetter- und Klimazonen gibt es keinen weltweit einheitlichen Termin für das Erntedankfest. In evangelischen Pfarreien war lange Zeit der Michaelstag (29. September) oder einer der benachbarten Sonntage der klassische Erntedanktag. Heute feiern sie meist am ersten Oktobersonntag. Die katholische Bischofskonferenz legte 1972 für Deutschland den ersten Sonntag im Oktober fest, wobei die Gemeinden nicht dazu verpflichtet sind, Erntedank zu feiern.
• Ist Erntedank ein rein religiöses Fest?
Immer wieder gab es auch politische Einflussnahme. So wurde in Preußen im Jahr 1773 ein Erntedanktag eingeführt. Und 1933 belebten die Nationalsozialisten das in Deutschland lange vergessene Fest wieder als „Reichserntedankfest“ mit großem Propaganda-Aufwand, um die Landwirte enger an die „Volksgemeinschaft“ zu binden. In der DDR und in anderen sozialistischen Ländern wurde der Ernte ebenfalls eine besondere Bedeutung beigemessen. Dabei wurde aber jeglicher religiöser Bezug verleugnet, bis hin zu Parolen wie: „Auch ohne Gott und
Sonnenschein bringen wir die Ernte ein.“ KNA/leg
