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Damit alle mitsingen können

Familien, die ihr Kind taufen lassen, sind in kirchlichen Traditionen nicht mehr selbstverständlich heimisch. Ein neues Taufliederbuch will ihnen in Texten und Melodien entgegenkommen

© epd-bild / Jens Schulze

Da steht die Familie am Kircheneingang, und ihre Blicke sagen: Hier sind wir fremd. Wir wollen unser Kind taufen lassen, aber mit den Regeln kennen wir uns gar nicht aus – hoffentlich machen wir nichts falsch!
Gar nicht so einfach, für solche Familien eine Atmosphäre zu schaffen, in der sie sich trotzdem willkommen und aufgehoben fühlen. Das Singen zum Beispiel kann richtig peinlich sein, wenn Melodie und Text völlig unbekannt sind, weiß Kirchenmusikdirektorin Ute Springer aus Iserlohn. „Was dann hängenbleibt, ist: Da habe ich mich nicht wohlgefühlt.“ Für sie ist klar: „Es fehlen einfach die passenden Lieder in unserem Gesangbuch.“
Damit sich das ändert, hat Springer, die in der westfälischen Kirche auch für den Fachbereich „Gottesdienst und Kirchenmusik“ tätig ist, gemeinsam mit anderen ein neues Taufliederbuch auf den Weg gebracht, das Ende Oktober erscheint (s. unten). Dabei wurden neue Texte zu weithin bekannten Melodien gesucht, vom Gesangbuchlied über Kinderlieder bis hin zu Gospels. Denn, so die Überlegung: Wenn die Musik bereits vertraut ist, kann man sich viel leichter auf das Singen und den Text einlassen. „Singen kann ja ganz tief berühren, gerade in einer Situation, in der man für das eigene Kind den Schutz Gottes erbittet“, meint Springer. „Darum wollen wir Menschen, die in  der Kirche nicht so beheimatet sind, die Angst vor dem Mitsingen nehmen.“
Ein Lied wie „Alle Jahre wieder“, das in dem neuen Liederheft gleich mit zwei neuen Texten unterlegt wurde, könne da ein Türöffner sein – „das sollten wir wirklich nutzen, wenn wir Menschen in der Kirche eine Heimat geben wollen“, so Springer. Und so steht in dem Liederheft die Melodie der „Europahymne“ von Beethoven neben „Der Kuckuck und der Esel“, „Weißt du, wieviel Sternlein stehen“ oder „Swing low, sweet chariot“.
Apropos Text: „Wir Protestanten freuen uns ja oft, wenn Texte besonders kompliziert sind“, meint Springer mit einem Augenzwinkern. Die vorhandenen Lieder gingen zudem davon aus, dass man sich in der kirchlichen Symbolsprache auskennt – die Situation bei Taufen habe sich jedoch in den vergangenen Jahren erheblich verändert. „Wir haben daher ganz gezielt darum gebeten, die neuen Liedtexte einfach zu formulieren – verständlich, aber nicht theologisch simpel.“
Zehn der 34 Lieder in dem neuen Heft entstanden für einen Wettbewerb, den die Evangelische Kirche von Westfalen ausgeschrieben hat. Für andere suchten Springer und ihre Mitstreiter gezielt nach Autoren. So stammen einige Texte aus der Feder des Frankfurter Fußball-Pfarrers und Musikers Eugen Eckert; weitere schrieben die westfälische Pfarrerin Birgitt Johanning und Ulrich Walter vom Pädagogischen Institut der EKvW. Auch der veränderten Situation der Taufe insgesamt wurde Rechnung getragen: Lieder für die Taufe von Jugendlichen, von Geflüchteten oder auch von Kindern mit Behinderungen wurden aufgenommen.
Und was ist mit der Verbreitung – werden Gemeinden das x-te Zusatzheft zum Gesangbuch anschaffen? Ute Springer sieht das ganz nüchtern. „Natürlich kauft niemand einen ganzen Satz für die Gemeinde“, sagt die Kirchenmusikerin. „Aber wir wollten trotzdem ein Angebot machen – vielleicht für kleinere Taufgottesdienste oder für Pfarrerinnen und Kirchenmusiker.“ Vielleicht, so hofft sie, schafft es das eine oder andere Lied auch in die Neufassung des Evangelischen Gesangbuchs. Die wäre dann allerdings erst in zehn Jahren fällig.

Ich wünsch dir einen Engel. Neue Tauflieder zu bekannten Melodien. Herausgegeben vom Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung der Evangelischen Kirche von Westfalen. Luther-Verlag in Zusammenarbeit mit dem Strube-Verlag, 32 Seiten, 7 Euro, ab 20 Exemplare 6 Euro; erscheint Ende Oktober.