Der neue König würde Konrad heißen, so oder so. Als sich die deutschen Fürsten am 4. September 1024 versammeln, um den Nachfolger Heinrichs II. zu wählen, heißen beide Kandidaten Konrad.
Heinrich war kinderlos verstorben, mit ihm war die Dynastie der Ottonen erloschen. Beide Konrads waren mit ihm gleichermaßen entfernt verwandt. Der Hofkaplan Wipo beschreibt die Königswahl in dem Ort Kamba, der heute nicht mehr existiert und am Rhein gegenüber dem heutigen Oppenheim lag. Allerdings ist sein Bericht lückenhaft. Er verliert zum Beispiel kein Wort darüber, wie die beiden Konrads sich einigen. Der jüngere der beiden zieht schließlich seine Kandidatur zurück, beide umarmen sich und tauschen den Friedenskuss.
Der Heidelberger Historiker Bernd Schneidmüller erklärt, die mittelalterliche Welt vor 1.000 Jahren habe nach Harmonie verlangt, daher habe Wipo nichts über Diskussionen oder gar Streit der Parteien in Kamba schreiben können. „Kann sein, dass es einen miesen Deal oder so etwas gab“, sagt Schneidmüller, „aber wir wissen nichts darüber.“ Möglicherweise habe der ältere Konrad auch den entscheidenden Vorteil gehabt, dass er bereits einen Sohn und damit einen Nachfolger gehabt habe, während der jüngere kinderlos war.
Als Konrad II. (um 990-1039) besteigt der ältere den Thron. Mit ihm beginnt die Dynastie der Salier. In den gut 100 Jahren dieser Dynastie, zwischen 1024 und 1125, soll sich das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Macht fundamental ändern.
Schon vier Tage nach seiner Wahl wird Konrad in Mainz gekrönt. Bald danach, vermutlich 1025, lässt er den Bau des Speyerer Doms beginnen, bis heute eine der bedeutendsten Kirchen in Deutschland und die wichtigste Grablege römisch-deutscher Könige und Kaiser. Konrad selbst ruht in der Krypta des Doms, neben ihm sieben weitere Herrscher, drei ihrer Ehefrauen und fünf Bischöfe.
Die Salier-Dynastie ist vor allem bekannt für den sogenannten Investiturstreit, den Showdown zwischen weltlichen und geistlichen Herrschern im Mittelalter. Vordergründig geht es dabei um die Frage, wer Bischöfe und Äbte einsetzen darf: Kaiser und Könige oder die Päpste. Aber eigentlich geht es ums Ganze, erklärt der Historiker Schneidmüller: „Es geht um die Frage, ob das Reich der Kirche gehorchen muss oder die Kirche dem Reich.“
Für Konrad II. allerdings bleibt die Welt zeitlebens noch in Ordnung, jedenfalls aus seiner Sicht: Er ist der Chef der Kirche, er setzt Bischöfe ein und ab, und die Päpste ordnen sich ihm unter. Zu seiner Zeit sind Könige und Kaiser nicht nur weltliche Herrscher, sondern auch kirchliche – wie überhaupt viele Menschen damals nicht zwischen weltlicher und religiöser Sphäre unterscheiden.
Politisch läuft es nicht ganz so glatt für Konrad, aber er bleibt am Ende immer erfolgreich. Er muss Feldzüge in Burgund und Italien führen und hat zu Hause mit Aufständen zu kämpfen. Neben der deutschen erwirbt er die italienische und die burgundische Königskrone und lässt sich 1027 zum römischen Kaiser krönen.
Auch Konrads Sohn, Heinrich III. (1039-1056), hebt noch nacheinander vier Päpste auf den Stuhl Petri und demonstriert so seine Macht über Rom. Aber zwischen Heinrich IV. (1056-1105), dem Enkel Konrads, und Papst Gregor VII. (1073-1085) soll es dann gewaltig krachen. Gregor beansprucht den Vorrang der Geistlichkeit vor der weltlichen Gewalt. Er fordert für sich das Recht, Bischöfe ein- und abzusetzen, sogar das Recht, dem Kaiser seine Krone zu nehmen.
In ihrem Streit geht Gregor so weit, Heinrich zu exkommunizieren – bis dahin ein unerhörter Vorgang. Heinrich muss nach Italien ziehen und vor der Burg Canossa, wo Gregor sich aufhält, um Vergebung bitten. Bis heute ist der „Gang nach Canossa“ ein Begriff für einen Bußgang.
Erst Heinrich V. (1105-1125), der letzte Salierkaiser, einigt sich mit Rom. Im Wormser Konkordat 1122 gesteht er den Päpsten das Recht zu, Bischöfe einzusetzen, verhandelt aber hinein, dass er Kleriker weiter mit Land und Rechten belehnen darf, was sie materiell von ihm abhängig hält. Der entscheidende Punkt ist aber: Die Kaiser können nicht mehr verordnen, sondern müssen mit den Päpsten verhandeln.
Den Zeitgenossen dürfte das eigentlich Bedeutende dieser Einigung gar nicht aufgefallen sein. Die Zürcher Historikerin Claudia Zey schreibt: „Langfristig sorgte die vom Papsttum gewollte und im Wormser Konkordat durchgesetzte Unterscheidung von Geistlichem und Weltlichem jedoch für die Ausformung getrennter Sphären und deren spezifische Eigenentwicklung im neuzeitlichen Europa.“
Auch Zeys Kollege Schneidmüller sieht in dem Streit der Salier mit den Päpsten eine Wurzel der heutigen Welt. „Weil sie sich nicht einigen können, differenzieren sie die Welt aus“, erklärt er. Diese Differenzierung in weltlich und geistlich sei „für uns heute absolut normal, wir können uns das gar nicht anders vorstellen“. Anders als noch Konrad II.