Bei Kindesmissbrauch sollten die Behörden so schnell wie möglich informiert werden – klingt selbstverständlich, ist aber aus Sicht von Ärztevertretern nicht immer der beste Weg. Sie argumentieren mit dem Kindeswohl.
Die Bundesärztekammer ist gegen EU-Pläne, Ärztinnen und Ärzte zu verpflichten, den sexuellen Missbrauch von Kindern grundsätzlich den Behörden zu melden. Ärztepräsident Klaus Reinhardt kritisierte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Donnerstag), die Meldepflicht solle unabhängig davon gelten, ob eine Gefährdung des Kindes vorliege und ob die Meldung im Interesse des Kindes sei. “So wird es Opfern unmöglich gemacht, sich behandeln zu lassen, ohne dass eine Behörde von dem Missbrauch erfährt. Sie verlieren ihren geschützten therapeutischen Raum und damit die Möglichkeit, vertraulich Hilfe in Anspruch zu nehmen”, beklagte der oberste deutsche Ärztevertreter.
In der Stellungnahme der Bundesärztekammer zu dem Richtlinienvorschlag von EU-Parlament und -Rat, die dem RND vorliegt, heißt es zudem: “Auch ein Vertrauensverhältnis kann nicht entstehen, wenn ein intimes Detail wie ein sexueller Missbrauch undifferenziert an staatliche Stellen gemeldet werden muss.” Die Schweigepflicht bestehe im Interesse des Kindes und diene nicht dem Täterschutz, so die Ärztekammer.
Gemäß dem nationalen Recht würden die Mediziner unverzüglich das Jugendamt informieren, wenn nach ihrer Einschätzung eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes bestehe, versichert die Bundesärztekammer und betont: “Ärztinnen und Ärzte, die von einem sexuellen Missbrauch erfahren, werden dies der zuständigen Behörde melden, um eine Gefahr für das Kind auszuschließen.” Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass sie in diesem Fall eine Meldung unterlassen würden, so die Bundesärztekammer.