Der langjährige Stader Regionalbischof Hans Christian Brandy (66) hat sich entschieden von einem verstorbenen charismatischen Theologen distanziert, dem eine Studie Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt nachweist und der auch für Brandy eine wichtige Rolle gespielt hat. Er empfinde heute eine große Distanz, sagte Brandy am Sonntag in Stade in einem Gottesdienst, mit dem er in den Ruhestand verabschiedet wurde. „Da war vieles, was nicht nur nicht satt machte, sondern das giftig war, das Menschen geschädigt hat und das großes Unrecht war.“
Brandys persönliche Geschichte war eigenen Worten zufolge seit seinem 15. Geburtstag und vor allem in der Jugend- und Studentenzeit durch den evangelischen Pastor V. (1930-2011) aus Hermannsburg bei Celle beeinflusst. V. hatte die geistliche Gemeinschaft „Kleine Brüder vom Kreuz“, der auch Brandy angehörte, gegründet und über viele Jahre geleitet.
Der Kirchenrechtler Walther Rießbeck sagte am vergangenen Dienstag in Hannover, V. habe seine Autorität als geistlicher Leiter und seine Stellung als Seelsorger systematisch dazu genutzt, um mindestens gegenüber elf Personen sexuell übergriffig zu werden. Darunter seien zwei Minderjährige gewesen. Gemeinsam mit drei weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stellte Rießbeck eine Studie zu dem Fall vor.
Die Kommission, die vor drei Jahren von der Landeskirche mit dem Bericht beauftragt worden war, kritisierte dabei auch Versäumnisse der Kirche bei der Aufarbeitung. Die Studie nimmt erstmals spirituellen Missbrauch als Ursache für sexualisierte Gewalt in den Blick. Pastor V. habe in mindestens fünf Fällen nach damaligem Recht Straftaten begangen, sagte der Jurist Georg Gebhardt, Vizepräsident des Landgerichts Hildesheim und Mitglied der Kommission.
Brandy sagte am Sonntag rückblickend: „Ich sehe heute deutlich, seit dieser Woche noch einmal deutlicher, Abgründe und tiefe Schatten über dieser Geschichte.“