Kurz vor der geplanten Verabschiedung der Krankenhausreform im Bundeskabinett formiert sich in den Ländern parteiübergreifender Widerstand gegen die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne), der lange die Verhandlungen aufseiten der Länder geleitet hatte, warf Lauterbach in der Augsburger Allgemeinen mehrfachen Wortbruch vor und drohte mit einer Blockade der Gesetzespläne im Bundesrat durch den Vermittlungsausschuss.
Der Minister habe bei der Reform “den Weg der Verständigung mit den Ländern verlassen und hält sich nicht mehr an gemeinsame Absprachen”, kritisierte Lucha. Alle 16 Länder-Gesundheitsminister forderten parteiübergreifend Änderungen, fügte er hinzu: “Sollte der Bund die Vorschläge der Länder nicht aufgreifen, ist der Gang in den Vermittlungsausschuss unausweichlich. Und ob Karl Lauterbach dann ein gemeinsames Vermittlungsergebnis noch in seiner Amtszeit als Minister erleben wird, halte ich für fraglich.”
Krankenhausreform: Bundestag soll nachbessern
Wenn Lauterbach nicht auf die Vorschläge der Länder eingehe, müsse der Bundestag die Reform im parlamentarischen Verfahren deutlich nachbessern: “Am Ende entscheidet der Bundesrat so oder so.” Das Vorgehen, die Reform als nicht zustimmungspflichtiges Gesetz auf den Weg zu bringen, sei “der größte Wortbruch, den sich der Bundesgesundheitsminister entgegen früheren Zusagen gegenüber den Ländern geleistet hat”. Ein Gutachten im Auftrag mehrerer Länder sei zum Ergebnis gekommen, dass die Reform ein im Bundesrat zustimmungspflichtiges Gesetz sein müsse: “Die Länder halten sich eine Klage offen, das hängt vom weiteren Verhalten des Bundes ab.”.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert die geplante Reform ebenfalls und fordert eine Garantie für 200 Kliniken. Lauterbachs Pläne beendeten nicht “die Überversorgung in Ballungszentren und die sich immer mehr zuspitzende Unterversorgung auf dem Land”, sagte Stiftungs-Vorstand Eugen Brysch der Rheinischen Post. Für die schwindenden Einnahmen und steigenden Kosten der Krankenhäuser habe Lauterbach kein wirksames Konzept. Sein Vorhaben bringe keinerlei Verbesserung für Patienten: “Deren Bedarfe blendet der Bundesgesundheitsminister weitgehend aus.”
Auch Kliniken, Ärzteverbände und Krankenkassen kritisieren die geplante Krankenhausreform und fordern das Bundeskabinett auf, dem Vorhaben nicht zuzustimmen. “Die bisherigen Reformpläne bedrohen die Stabilität der Krankenhausversorgung in Deutschland”, sagte der Chef der Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: “Wenn das Gesetz so umgesetzt wird, führt es zu langen Wartelisten, Fehlanreizen und mehr Bürokratie.” Zudem sei mit Verfassungsklagen von Bundesländern, Krankenkassen und niedergelassenen Ärzten zu rechnen.
Die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, ergänzte, bei näherer Betrachtung entpuppe sich die Reform als Etikettenschwindel: “Das ist nicht die Entlastung von ökonomischem Druck, die wir in den Krankenhäusern brauchen.” Eine Reform, die bewusst darauf angelegt sei, die Zahl der Kliniken zu reduzieren, habe komplexe Folgen für die Patientenversorgung. Daher sei es “völlig inakzeptabel, dass ein solcher Großversuch ohne flächendeckendes Versorgungskonzept, ohne vorherige Bedarfsanalyse und ohne Folgenabschätzung auf den Weg gebracht werden soll”.
Krankenkasse warnt vor Kosten
Der Chef der zweitgrößten Krankenkasse Barmer, Christoph Straub, warnte vor hohen zusätzlichen Kosten für die gesetzlich Versicherten. Unter anderem sollten innerhalb der nächsten zehn Jahre bis zu 25 Milliarden Euro aus Beitragsgeldern für den Umbau der Krankenhauslandschaft aufgebracht werden, obwohl die Investitionsfinanzierung Kernaufgabe der Bundesländer sei. Doch die Belastungsgrenze der beitragszahlenden Arbeitnehmer und Arbeitgeber sei “angesichts chronisch steigender Kosten im Gesundheitswesen ohnehin längst erreicht”.
Mit der Krankenhausreform will die Regierung Finanzierung, Organisation und Leistungsspektrum der rund 1.900 Krankenhäuser im Land grundlegend verändern. Dabei soll die Behandlungsqualität verbessert werden, indem nicht mehr jede Klinik alles machen darf, sondern die für eine Leistung notwendigen Mindeststrukturen vorgewiesen werden müssen. Das dürfte auch die Zahl der Kliniken verringern und für mehr große Kliniken sorgen.
