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Bischof Kohlgraf über das Heilig-Jahr-Treffen der Synodenteams

Der Synodale Weg als deutscher Sonderweg? Das sei nicht mehr die Wahrnehmung in der Weltkirche, sagt Bischof Peter Kohlgraf. Beim Heilig-Jahr-Treffen der Synodalen traf er mit tausenden Gläubigen aus aller Welt zusammen.

Welche Reformen braucht die Kirche, damit sie für die Menschen heute relevant bleibt? Und wie kann die Teilhabe möglichst aller Katholiken an ihrer Kirche gelingen? Um Antworten zu finden, rief Papst Franziskus das Projekt Weltsynode ins Leben, das sein Nachfolger Leo XIV. weiterführt. Gerade waren rund 2.000 Katholikinnen und Katholiken aus aller Welt, die sich aktiv an der Weltsynode beteiligen, im Vatikan. Am sogenannten Heilig-Jahr-Treffen der Synodenteams und Mitwirkungsgremien nahm auch eine Delegation aus Deutschland teil. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) berichtet der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf über Erfahrungen und Impulse – auch mit Blick auf den deutschen Reformprozess Synodaler Weg.

Frage: Bischof Kohlgraf, welche Eindrücke nehmen Sie von diesen drei Tagen in Rom mit?

Antwort: Es war sehr spannend, die Vielfalt und das Interesse der Menschen zu erleben. Ich habe eine große Begeisterung und Neugier gespürt, von anderen zu erfahren, wie sie Synodalität leben.

Frage: Papst Leo XIV. hat sich am Freitag über zwei Stunden Zeit genommen, um Berichte der Synodenteams aus der ganzen Welt zu hören. Wie haben Sie ihn wahrgenommen?

Antwort: Der Papst hat kein großes Eingangsstatement gehalten, sondern die Zeuginnen und Zeugen reden lassen und all das dann aus seiner Sicht kommentiert. Man merkt sehr deutlich, dass er im Thema Synodalität drin ist, und es sehr überzeugt mitträgt. Die Berichte auf dem Podium aus sieben Weltregionen der Erde haben gezeigt, wie lebendig dieses Bemühen um Synodalität weltweit ist! In den Statements war deutlich wahrnehmbar, dass Kirche und Kultur eine Einheit bilden und dass die Menschen versuchen, ihr kirchliches Leben so zu gestalten, wie es für sie passt, auch mit den Charismen, die da sind.

Frage: In ihrem Bericht für Europa ist die Linzer Professorin für Pastoraltheologie, Klara Csiszar, auch auf die bröckelnde gesellschaftliche Bedeutung von Kirche eingegangen. Wenn Sie einen Bericht nur für Deutschland formulieren müssten, was würden Sie erwähnen?

Antwort: Zunächst möchte ich sagen, dass ich den Text von Klara Csiszar sehr treffend fand. In einem Bericht über Deutschland würde ich ebenfalls das Thema der Säkularität betonen, das auch das Miteinander zwischen Gesellschaft und Kirche prägt. Außerdem würde ich unsere internationaler werdende Kirche, das Ringen um Synodalität und das Zueinander von nationaler Ebene und den synodalen Prozessen in den Diözesen erwähnen. Natürlich würde ich das Thema Geschlechtergerechtigkeit nennen, denn es bewegt bei uns viele Menschen.

Was uns in Deutschland aber besonders beschäftigt, ist die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Ich glaube, es wird auch weltkirchlich wahrgenommen, dass wir damit konsequent umgehen. Missbrauch hat sehr wohl etwas mit Synodalität zu tun, denn wir suchen nach Strukturen in der Kirche, um etwa die Vertuschung sexualisierter Gewalt von vorne herein zu verhindern.

Frage: Bei der Frage, die jede Region dem Papst stellen konnte, hat Csiszar das Thema Geschlechtergerechtigkeit und Möglichkeiten verstärkter Teilhabe von Frauen gewählt. Wie fanden Sie die Antwort des Papstes?

Antwort: Ich glaube, dass der Papst genau die Meinung wiedergegeben hat, die für die römische Welt die normale Antwort ist: Das Kirchenrecht kann nicht geändert werden, deshalb müssen wir andere Wege finden, Frauen in Verantwortung zu bringen. Genau, wie er es erwähnte, versuchen wir das auch in Deutschland mit Karrierefördermaßnahmen für Frauen, weil es im Moment wohl der einzige Weg ist, dass sie mehr Verantwortung in der Kirche erhalten. Der Papst hat es auch angesprochen: Frauen sind im Grunde diejenigen, die unsere Gemeinden hochhalten. Aber die Ämterfrage ist damit für Leo XIV. nicht zu klären.

Frage: Leo erwähnte auch, dass manche Bischöfe Angst vor Machtverlust haben…

Antwort: Das Kleben an Macht war auch Thema beim Synodalen Weg der Kirche in Deutschland. Meiner Meinung nach hat der Papst den Gedanken der Synodalität sehr gestärkt, indem er dieses heikle Thema des Machtgebrauchs und manchmal Machtmissbrauchs ansprach.

Frage: Welche Botschaft nehmen Sie mit nach Deutschland?

Antwort: Ich werde von der Vielfalt der Erfahrungen und weltweiten Synodalen Prozesse berichten. Und: Der Synodale Weg ist kein deutscher Sonderweg mehr, genau das kommt hier auch nicht mehr so rüber! Wenn wir mit Menschen ins Gespräch kommen, erleben wir großes Interesse, aber keine Ablehnung. Dagegen hieß es vor zwei oder drei Jahren noch: “Ach, Ihr in Deutschland geht Eure eigenen Wege”. Wir wollen unseren Beitrag leisten für die weltweiten synodalen Prozesse, den man ja nicht überall übernehmen muss. Wir sind nicht die Oberlehrer der Welt, aber wir haben unsere eigenen Erfahrungen. Es ist auch immer eine Frage der Haltung und des Einübens, wie auch der Papst betonte.

Frage: Nehmen Sie auch konkrete Anregungen aus anderen Weltregionen mit?

Antwort: Wir Deutschen organisieren gerne, heißt es ja oft. Nach meinem Eindruck wird in anderen Regionen dieser Erde mit einer größeren Gelassenheit nach Synodalität gesucht, nach dem Motto “Es werden sich Dinge ergeben”. Das mag auch eine Mentalitätsfrage sein, die uns aber inspirieren könnte.

Frage: Welche Bedeutung hat das Heilige Jahr unter dem Motto “Pilger der Hoffnung” für den Synodenprozess und Ihr Treffen in Rom?

Antwort: Es ist ein Weg der Hoffnung, wir sind auch durch die Heilige Pforte der Hoffnung gegangen. Gott gehört die Zukunft! Das ist die Botschaft, die ich mitnehme und die ich selbstverständlich kommuniziere. Dann wird auch mal gestritten, dann gibt es Kontroversen, dann ringt man um Wege. Das sind aber alles Dinge, die ich jetzt mit einer neuen Begeisterung, mit mehr Mut und Motivation angehe, als es vielleicht vorher der Fall war.