Die Internationale Jugendbibliothek in München wird 75 Jahre alt. Warum bei Jugendlichen Romance-Geschichten beliebt sind und Lesungen für Kinder inzwischen durchkomponiertes Entertainment sind.
Kindern falle es zunehmend schwer, sich länger auf eine Sache einzulassen. Dass die Konzentrationsspanne stark nachlasse, sei eindeutig als Trend zu erkennen, sagte die Direktorin der Internationalen Jugendbibliothek, Christiane Raabe, der “Süddeutschen Zeitung” (Donnerstag). Bei Lesungen etwa, die als Königsdisziplin gelten, um Literatur zu vermitteln, müssten sie und ihre Mitarbeitenden sich inzwischen viel überlegen, um den Unterhaltungswert für die zuhörenden Mädchen und Jungen zu steigern.
“Wir arbeiten etwa mit Schauspielern zusammen, die mit den Autoren Programme entwickeln und zum Beispiel bestimmte Szenen schauspielerisch umsetzen oder die Kinder mit einbeziehen”, führte Raabe weiter aus. Das müsse ein richtig durchkomponiertes Entertainment sein, wenn es funktionieren solle. Als einen Grund für diese Entwicklung sieht die Direktorin die Digitalisierung. Dennoch gebe es aber nach wie vor Leseratten, die stapelweise Bücher in der Bibliothek ausliehen.
Jugendliche wiederum bevorzugten dieser Tage vor allem Romance-Bücher, berichtete Raabe. “Viele dieser Titel würde ich als Gebrauchsliteratur bezeichnen.” Dabei handle es sich um Literatur, die ganz bestimmte Rezepte abarbeite. Die sei enorm erfolgreich. Der Romance-Hype führe aber bedauerlicherweise dazu, dass es das sozial-kritische und literarische Jugendbuch schwer habe. Dieses Segment sei stark geschrumpft.
Die Internationale Jugendbibliothek hat seit 1949 ihren Sitz im Schloss Blutenburg in München mit einer Sammlung von 670.000 Büchern in rund 260 Sprachen. Gegründet wurde sie nach dem Zweiten Weltkrieg von der Journalistin Jella Lepman (1891-1970). Sie wollte den Kindern im Nachkriegsdeutschland Möglichkeiten schaffen, um neue Hoffnungen und Werte zu finden und vor allem um Verständnis für andere Menschen und Völker zu entwickeln. Dabei sollten Kinder- und Jugendbücher Anregungen für Geist und Fantasie geben.
Der jetzigen Direktorin ist es nach eigenen Worten wichtig, über Kinderliteratur oder Literatur niederschwellig einen internationalen Dialog zu führen, über alle Grenzen hinweg. “Wir sehen, dass auf politischer Ebene alle Brücken abgerissen werden. Wir versuchen, noch Brücken zu erhalten, indem hier zum Beispiel Stipendiaten aus Iran und Israel aufeinandertreffen.”