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Betroffenenbeirat sieht Gutachten über rituellen Missbrauch skeptisch

Der Betroffenenbeirat bei der katholischen Deutschen Bischofskonferenz hat ein Gutachten zum sogenannten rituellen Missbrauch „mit Bedenken und großer Skepsis zur Kenntnis“ genommen. Die Untersuchung in den Bistümern Essen und Münster sowie im Erzbistum Köln war zu dem Schluss gekommen, dass es keinen einzigen belastbaren Hinweis auf die von rund einem Dutzend Menschen beschriebenen Vorwürfe ritueller Gewalt und organisierter Täternetzwerke gebe. Der Aussagewert der Studie sei jedoch „äußerst gering“, erklärte die Vertretung von Betroffenen sexualisierter Gewalt am Freitag in Bonn.

Der Befund sei vor dem Hintergrund der angewandten Definition zwar nachvollziehbar. „Allerdings greift er aus Sicht des Betroffenenbeirats deutlich zu kurz“, hieß es.

Das vorliegende Gutachten sage beispielsweise nichts darüber aus, ob in den untersuchten Bistümern Netzwerke existiert hätten, in denen Missbrauchsbetroffene von mehreren klerikalen Tätern missbraucht oder Opfer bewusst anderen Tätern zugeführt worden seien. Auch zur Frage, „ob Täter während ihrer Taten ritualisierte, kirchliche Handlungen vollzogen“, fehlten Informationen.

Der Betroffenenvertretung seien jedoch Fälle auch aus den drei untersuchten Diözesen bekannt, in denen Betroffene von Täter-Netzwerken und ritualisierter Gewalt berichteten. Sie schilderten Taten, in denen kirchliche Rituale oder religiöse Symbole in die Missbrauchshandlungen einbezogen
wurden: „Diese dienten sowohl als Rechtfertigung der eigenen Handlungen wie der Manipulation der Opfer, wenn beispielsweise eine ‘Salbung’ an die Stelle einer sexuellen Handlung gesetzt wurde.“

Es bestehe „die Gefahr, dass kirchliche Verantwortungsträger die Ergebnisse künftig missbräuchlich dazu nutzen, die Existenz von Täter-Netzwerken oder ritualisierte Missbrauchspraktiken im kirchlichen Kontext zu verneinen“, erklärten die beiden Vorsitzenden der Betroffenenvertretung, Patrick Bauer und Katharina Siepmann.