Die Arche fordert schon seit mehr als zehn Jahren eine Kindergrundsicherung für alle in Deutschland lebenden Kinder. Wichtig ist vor allem, dass alle Sozialleistungen für benachteiligte Familien gebündelt und formlos ausgezahlt werden. Schließlich geht es um das Wohl unserer Kinder und wir müssen alle Kinder in unserem Land wie Königinnen und Könige behandeln. Die von der Bundesregierung kürzlich beschlossene Höhe der Kindergrundsicherung ist allerdings ein Witz.
Endlich hat unsere Familienministerin mal Zahlen auf den Tisch gelegt. Es gibt 5,6 Millionen armutsbetroffene Familien in unserem Land. Was für eine Horrorzahl. In zahlreichen dieser Familien wird sogar gehungert. Mütter verzichten auf ein Mittagessen, damit ihre Kinder abends satt werden. Wie oft habe ich das schon in unseren Häusern von zumeist alleinerziehenden Müttern gehört.
Kindergrundsicherung ein Hohn
Ich habe mal Mathematik gemacht und ausgerechnet, was für die Kinder dabei zusätzlich herauskommt. Die nun beschlossene „Lindner-Kindergrundsicherung“ von nur 2,4 Millionen Euro jährlich bedeutet 30 Euro monatlich für die betroffenen Kinder mehr. Und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass diese zusätzlichen paar Euros bei sozial-benachteiligen Familien in erster Linie fürs Essen und Trinken ausgegeben werden und nicht – ganz wichtig – für ein Mehr an Bildung. Wir brauchen aber für unsere Zukunft starke Kinder und die gibt es nur in gut ausgestatteten Schulen mit genügend Personal.
Wir als Arche fordern daher 600 Euro im Monat als Kindergrundsicherung, davon muss die Hälfte direkt in die Kitas und Schulen fließen. Mindestens 150 Euro müssen über eine App in den Schulen als Sachleistungen abgerufen werden können, für benachteiligte Kinder, und das durch die Lehrerinnen und Lehrer. Davon können zum Beispiel Klassenfahrten, Sportverein-Mitgliedschaften und auch mal ein Restaurantbesuch mit der Mama bezahlt werden. Teilhabe an unserer Gesellschaft lernen ist für das typische Arche-Kind enorm wichtig.
Bildung ist das Erfolgsrezept
Derzeit verlassen 50.000 Kinder jährlich ohne einen Abschluss die Schulen. Die Mehrheit dieser Kinder werden später von Transferleitungen leben müssen, da sie keinen Ausbildungs- und damit Arbeitsplatz finden. In Hamburg, das erzählte mir kürzlich der dortige Arche-Leiter, verlassen momentan die Hälfte aller Kinder die Grundschulen, ohne richtig lesen und schreiben zu können. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Gleichzeitig suchen unzählige Unternehmen in Deutschland Fachkräfte. Restaurants und Geschäfte müssen schließen oder ihre Öffnungszeiten massiv zurückfahren, weil sie kein Personal finden. Junge Menschen aus geflüchteten Familien dürfen nicht arbeiten, obwohl sie hier leben und sich langweilen. Kinder aus geflüchteten Familien verweigert man Kita-Plätze, da die Eltern zumeist nicht arbeiten. Wie sollen sie dann die deutsche Sprache lernen?
Keine Chancengleichheit
Im europäischen Raum hinkt Deutschland in Sachen Bildung seit Jahren hinterher. Und was wird geändert? NICHTS. Warum gibt es in unserem Land Brennpunktschulen? Warum verteilt man nicht alle Kinder so, dass in jeder Klasse und Schule der gleiche Anteil an „schwierigen Kindern und Jugendlichen“ ist? Eine Politikerin erklärte es mir kürzlich so: „Das wollen die Eltern aus den Bildungsbürgerfamilien nicht. Da haben wir keine Chance.“
Wir müssen heute noch damit anfangen, uns um alle in Deutschland lebenden Kinder zu kümmern. Wenn wir das nicht tun, geht morgen unser Land kaputt. Über sechs Millionen Kinder, so Lisa Paus, zu vergessen und nicht richtig zu fördern und auszubilden, schafft unser Land definitiv nicht. Auch aus christlicher Sicht: Lassen Sie uns heute noch damit anfangen, alle Kinder gleich und fair zu behandeln.
Bernd Siggelkow ist Pastor und Leiter der Kinder-und Jugendeinrichtung “Arche” in Berlin