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Berliner statt Kamelle

Die Jecken sind wieder los und ich gestehe frank und frei: Damit hab ich gar nichts am Hut. Eigentlich bin ich ja kein Kind von Traurigkeit, auch die kulturelle Vielfalt liegt mir am Herzen. Helau und Alaf aber, entfesselte Frauen zur Weiberfastnacht, Rosenmontagsumzüge mit Kamelle-Weitwurf, Büttenreden – mit all dem lockt man mich nicht hinterm Ofen hervor. Wenn also jetzt die tollen Tage anfangen, bleibt mir nichts anderes übrig als in die innere Emigration zu gehen und zu den entsprechenden Sendezeiten Radio und Fernsehen abzuschalten. Ob‘s an den Genen liegt oder an meiner ostwestfälischen Prägung – ich weiß es nicht.

Dabei sind die tollen Tage vor Beginn der Fastenzeit – die Rheinländer mögen hören und staunen – doch gar nicht allein eine rheinische Angelegenheit: Auch Westfalen und Lipper haben ihre jecken Hochburgen. Selbst hier gibt es Karnevalsvereine, Prunksitzungen, Rathausstürmungen. Aber ehrlicherweise muss man wohl sagen, dass das eher eine Minderheitenangelegenheit ist.
Für einen Pfarrer jedenfalls, mit dem ich kürzlich sprach, ist die Teilnahme an der Sitzung eines Karnevalsvereins mehr eine dienstliche Pflicht als eine persönliche Lust. Zweimal, so sagte er, hätte er jetzt diesen Termin übernommen, jetzt seien mal die Kollegen dran.
Ja Karneval, Höhepunkt des Jahres für die einen, Zeit sich zurückzuziehen für die anderen. Übrigens nicht nur in Westfalen und Lippe. Glaubhaften Quellen zufolge soll es sogar Rheinländer geben, die zum Karneval ihrer Heimat entfliehen.
Ein Gutes allerdings hat die Zeit auch für mich: Zur Weiberfastnacht gibt‘s beim Evangelischen Presseverband traditionell Berliner. Ich freu mich drauf.