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Bergwandern und Klimawandel: Zurück zur Einfachheit

Das besondere Licht des Spätsommers, das oft ruhige Wetter: Der September ist normalerweise ein beliebter Monat zum Wandern, auch noch in hochalpinen Gebieten. Doch die Neue Prager Hütte, auf 2.800 Metern im Nationalpark Hohe Tauern in Österreich gelegen, hat bereits seit dem 15. August geschlossen. „Die aktuelle Wassersituation lässt keinen ordnungsgemäßen Hüttenbetrieb zu“, heißt es auf der Internetseite der Hütte. Und das nun schon das dritte Jahr in Folge.

„Auch wenn das Problem in diesem Jahr insgesamt nicht so groß war wie die Jahre davor: Es ist deutlich erkennbar, dass die Wasserversorgungssituation in den hochalpinen Lagen immer schwieriger wird“, sagt Robert Kolbitsch, Ressortleiter Hütten und Wege beim Deutschen Alpenverein (DAV), dem die Neue Prager Hütte gehört. Eis und Schnee in den Alpen schmelzen immer schneller ab. Haben Schneefelder die Neue Prager Hütte in früheren Jahren den ganzen Sommer über mit Schmelzwasser versorgt, verschwinden sie nun deutlich eher – und diese Wasserquelle versiegt. Auch die Niederschläge werden weniger. „Darauf müssen wir reagieren“, sagt Kolbitsch.

Der Klimawandel macht sich in der hochalpinen Berglandschaft besonders stark bemerkbar. Davon sind auch viele der oft über 100 Jahre alten Hütten der verschiedenen Alpenvereine betroffen. 39 der 325 Hütten und Biwaks des DAV liegen oberhalb von 2.500 Metern, beim Österreichischen Alpenverein (ÖAV) sind es 19 von 225 und beim Schweizer Alpen-Club (SAC) mit 76 von 152 sogar die Hälfte aller Hütten und Biwaks.

„Vielerorts in den Hochalpen sind die Landschaften nicht mehr im Gleichgewicht“, sagt Philippe Wäger, Ressortleiter Hütten und Umwelt beim Schweizer Alpen-Club. Wenn der Permafrost auftaut, kann die Stabilität der Hütten bedroht sein. Bei rund einem Drittel der SAC-Hütten gebe es Permafrost in einem Umkreis von 100 Metern um die Hütte, sagt Wäger. Die Rothornhütte in den Walliser Alpen musste bereits neben dem alten Standort neu aufgebaut werden. Auch beim DAV und ÖAV sind einzelne Hütten vom schmelzenden Permafrost betroffen, etwa das Hochwildehaus in den Ötztaler Alpen, das seit Jahren wegen Bauschäden geschlossen ist, oder die Seethaler Hütte im Dachsteingebirge, die ebenfalls neu errichtet werden musste.

Mehr Sorgen bereitet der tauende Permafrost Georg Unterberger vom ÖAV jedoch mit Blick auf die Wanderwege. „Etwa 20 Prozent unserer Wege sind betroffen“, sagt der Leiter der Abteilung Hütten und Wege. Sie werden unsicherer und schwieriger zu begehen. Auch die zunehmenden Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Hagel führen zu Steinschlag und Murenabgängen und können die Wegeführung verändern.

„Ein vormals blauer oder roter Weg wird so zu einem schwarzen Weg, wenn beispielsweise keine Brücke mehr über ein Bachbett gebaut werden kann.“ Ob und wo Wege durch Leitern, Brücken oder andere technische Einbauten auch in Zukunft wieder leichter oder überhaupt begehbar gemacht werden, müsse wohlüberlegt sein, sagt Unterberger. „Wir sind auch eine Naturschutzorganisation und werden nicht aus Jux und Tollerei überall Leitern einbauen.“

Der Erhalt der Hütten und Wege kostet viel Geld. Für kaum eine Hütte ließen sich die Kosten der Instandhaltung oder gar für Umbauten aus dem laufenden Betrieb finanzieren, heißt es bei den Alpenvereinen. Sie müssen dafür auf Mitgliedsbeiträge, Spenden sowie Zuschüsse der öffentlichen Hand zurückgreifen.

Im Mai veröffentlichte der ÖAV gemeinsam mit weiteren alpinen Vereinen Österreichs einen „Notruf aus den Alpen“. In einer Petition fordern sie ein finanzielles Rettungspaket in Höhe von 95 Millionen Euro von der österreichischen Bundesregierung, um „gemeinsam Hütten und Wege zu retten“. Mehr als 85.000 Menschen haben bis Anfang September bereits unterschrieben.

Was alle Alpenvereine vermeiden möchten: Hütten dauerhaft zu schließen. „Die Hütten sind unser Herz und Aushängeschild“, sagt Philippe Wäger vom SAC. Um in Zukunft mit weniger Wasser zurechtzukommen, wollen DAV und ÖAV in ihre Hütten verstärkt Trockentoiletten einbauen – etwa bei der Neuen Prager Hütte. In der Schweiz sind diese schon länger die Regel. Duschen gibt es hier nur in Ausnahmefällen.

Auch der ÖAV will sich in Zukunft von diesem Standard verabschieden. „Man kann nicht mehr auf jeder Hütte eine warme Dusche erwarten“, sagt Georg Unterberger. Eine Katzenwäsche am Waschbecken müsse auf einer Wanderung auch mal reichen. „Wir verschenken seit zwei Jahren Waschlappen an unsere Mitglieder.“

Eine weitere Möglichkeit, um Hütten mit weniger Ressourcen zu erhalten, ist die Umrüstung zu Selbstversorgerhütten. „Dann sind die technischen Voraussetzungen geringer“, erklärt Kolbitsch vom DAV. Bei den bewirtschafteten Hütten hält er ein reduziertes Speisenangebot für eine gute Möglichkeit: „Eine einfachere Verpflegung erfordert weniger Transport, weniger Lagerung und weniger Energieverbrauch.“ Einfach, aber qualitätsvoll sollte das Motto sein.