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Beraterin: Seit Corona mehr Prostitution in Privatwohnungen

Prostitution findet seit der Corona-Pandemie nach Einschätzung des Kreisdiakonieverbands Esslingen vermehrt verdeckt in Privatwohnungen statt. Bei weitem nicht alle Prostituierten seien angemeldet, sagte Claudia Brendel, Leiterin des Beratungsprojekts Rahab, laut Mitteilung von Mittwoch in Plochingen (Kreis Esslingen). Im Landkreis Esslingen mit rund 530.000 Einwohnern gebe es zurzeit sieben angemeldete Einrichtungen mit 85 angemeldeten Prostituierten. Brendel geht davon aus, dass die offiziellen Zahlen mindestens zu verdoppeln sind.

Etwa 95 Prozent aller Prostituierten seien Frauen. Nach eigenen Angaben müssten sie etwa vier Freier pro Tag bedienen, um ihre Miete und das Essen zu bezahlen. Die meisten Prostituierten kämen aus Rumänien, sagte die Beraterin Silvia Vintila, die selbst Rumänin ist. Die Frauen fühlten sich für die Familie verantwortlich und könnten in Rumänien den Unterhalt für Kinder und ältere oder kranke Angehörige nicht verdienen. „Sie kommen aus Not und Verzweiflung in die Prostitution, weil sie darin die einzige Chance sehen, ihre Familie zu versorgen.“

Laut Turgut Coskuner von der Kriminalpolizei Reutlingen wird angespartes Geld zumeist vollständig ins Herkunftsland überwiesen. Er verwies auf die erpresserische Rolle der Zuhälter: „Oft wissen die Zuhälter genau, wo die Familie wohnt, sind womöglich aus derselben Gegend, und die Frauen können viele Dinge hier in Deutschland ohne Wohnung, Führerschein und Sprachkenntnisse nicht selbst organisieren.“

„Bei korrekter Versteuerung verdienen die Kommunen anhand der Vergnügungssteuer mit“, kritisierte Eberhard Haußmann, Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands. Er fordert, wenigstens einen Teil dieser Einnahmen in die Beratung und Unterstützung von Prostituierten zu investieren. „Denn dass die Frauen freiwillig und ohne Not in der Prostitution tätig sind, ist die absolute Ausnahme.“ Es sei ein Fehler, dass „die Frauen das Gesicht verlieren und nicht die Männer, die zu ihnen kommen“.

Die schwere Beratung, sagte Brendel, brauche „einen langen Atem und eine Regelfinanzierung über das Jahr 2025 hinaus“. Der Kreisdiakonieverband Esslingen ist Teil der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. (2729/15.11.2023)