Nach dem Rücktritt der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, haben Leitende Geistliche der Kirchen in Hessen und Rheinland-Pfalz den Schritt bedauert und Kurschus zugleich gewürdigt. Die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst und der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung betonten die Wichtigkeit der weiteren Aufarbeitung sexualisierter Gewalt. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, sagte, mit Kurschus’ Rücktritt verliere „der ökumenische Motor in unserem Land einen wesentlichen Antrieb“.
Wüst, die auch Sprecherin des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt der EKD ist, sagte am Montag in Speyer, sie schätze „Kurschus als eine kluge Theologin, brillante Rednerin und als einen empathischen Menschen. “Insofern bedaure ich es sehr, sie als Ratsvorsitzende zu verlieren.„ Sie habe aber “Respekt vor diesem Schritt, der auch weitere Belastungen von der Arbeit des Beteiligungsforums sexualisierte Gewalt der EKD nimmt„. An der konsequenten Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie führe kein Weg vorbei. “Das sind wir den betroffenen Personen schuldig”, sagte Wüst.
Jung bedauerte in Darmstadt, mit Kurschus verliere die EKD eine „bundesweit geachtete und auch im Leitungsamt immer seelsorglich sensible und mit großer Sprachkraft wirkende Ratsvorsitzende“. Mit ihrem Rücktritt stelle sich Kurschus „sehr glaubwürdig in den Dienst ihrer Kirche und trägt dazu bei, dass insbesondere die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie mit der nötigen Konzentration auf betroffene Personen und ihr Leid weitergeführt werden kann“. Der Rat der EKD bekenne sich „zum schwierigen und langen Weg der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie“, sagte Jung, der der dienstälteste Leitende Geistliche in diesem Gremium ist.
Bätzing sagte in Limburg, er sei dankbar für die Fragen, die Kurschus in ihrer Amtszeit gestellt habe: „politisch und gesellschaftlich, theologisch und seelsorglich“. Er habe Kurschus nicht nur in der Ausübung des Amtes geschätzt, sondern auch als „theologische Denkerin mit einer prägenden geistlichen Kraft und mutigen Visionen für ihre Kirche“.
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, sieht in dem Rücktritt Kurschus’ eine „konsequente Entscheidung“ in der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt. Der Schritt zeuge „von ihrer persönlichen Integrität“ und dem „konsequenten Aufarbeitungswillen“, den die EKD-Synode nachdrücklich betont habe, sagte Latzel in Düsseldorf.
Kurschus hatte am Montag den Rücktritt von ihren Ämtern als Präses der westfälischen Landeskirche und als Ratsvorsitzende erklärt, nachdem Vorwürfe wegen ihres Umgangs mit einem mutmaßlichen Fall sexualisierter Gewalt aus den 1990er Jahren in ihrem Arbeits- und Privatumfeld öffentlich geworden waren. Die 60-jährige Theologin kannte aus früheren Tätigkeiten einen Kirchenmitarbeiter, der über Jahre hinweg junge Männer sexuell bedrängt haben soll. Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs übernimmt kommissarisch den EKD-Ratsvorsitz.