Der Mittelpunkt dieses Samstagabends in Köln wiegt gerade einmal 3,3 Gramm. Es ist eine Zwergfledermaus, die Susanne Roer, Betreuerin der Fledermausauffangstation in Köln, zu einer Exkursion mitgebracht hat. Die sechs Kinder samt ihren Eltern staunen nicht schlecht, dieses sagenumwobene Säugetier aus allernächster Nähe bestaunen zu können. Das Gebiss mit den markanten Eckzähnen, die durchscheinende Flughaut, die großen Öhrchen. Im August bieten bundesweit verschiedene Naturschutzorganisationen Fledermausführungen an; besonders viele finden in der Internationalen Fledermausnacht am 24. und 25. August statt. Der Naturschutzbund (Nabu) lädt dann beispielsweise zur “Batnight”.
Wissenswertes für Groß und Klein
Bei Nina rangieren Fledermäuse auf Platz zwei der Lieblingstiere. Auf dem ersten Platz liegen Fische, das ist dem Wels im heimischen Aquarium geschuldet. Beide Tiere haben aber eins gemeinsam: Sie sind nachtaktiv. Aus einem Buch über Tiere weiß die Neunjährige schon eine ganze Menge über Fledermäuse und kann viele Fragen von Susanne Roer beantworten. Zum Beispiel, wo Fledermäuse gerne Unterschlupf finden. “In Spalten von Häusern”, ist Ninas richtige Antwort. Die Kinder und die Erwachsenen lernen an diesem Abend in der fortschreitenden Dämmerung eine ganze Menge über die Wildtiere.
Zum Beispiel, dass sie gerne Insekten fressen, es davon aber immer weniger gibt. Das ist einer der Gründe, warum manche Fledermaus-Arten sogar vom Aussterben bedroht sind. Ein anderer Grund sind fehlende Schlupfwinkel, weil alte Baumbestände weniger werden und neue Gebäude den Tieren kaum Wohnraum bieten. Was kann man selbst tun? Zum Beispiel Fledermauskästen im eigenen Garten anbringen, schlägt Ninas Mutter vor. Roer ergänzt, dass nachtblühende Pflanzen auch Falter anlocken, die Fledermäuse besonders gern mögen. Ein weiterer Tipp der Expertin: auf die Straße gehen, also demonstrieren für mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz.
Expertin fasziniert von den “hochintelligenten” Tieren
Die Kölnerin macht seit 30 Jahren Naturführungen und ist dabei auf Fledermäuse spezialisiert. “Das Interesse daran ist ungeheuer groß. Wenn ich ein Tier mitbringe, ist das für die Kids, aber auch für die Erwachsenen ein Erlebnis”, berichtet Roer. Immer wieder tauche die Frage auf, warum denn die Fledermaus geschützt werden müsse. Manch einer glaube sogar, dass sei nicht nötig – wenn es weniger Insekten geben, brauche es doch auch weniger Fledermäuse? “Solche Annahmen muss man ausräumen”, sagt Roer. “Das ist ein Ökosystem, wenn da ein Schräubchen fehlt, hat das große Auswirkungen.”
Die 58-Jährige selbst ist fasziniert von den in ihren Augen “hochintelligenten” Tieren: “Je länger man sich mit ihnen beschäftigt, desto mehr erfasst man das Wesen des Individuums”, sagt Roer. Vor der Gruppe erörtert sie noch weitere Besonderheiten der Fledermaus: dass sie zwar immer kopfüber hängt, sich aber bei der Geburt des Nachwuchses doch mal umdreht und das frisch geschlüpfte Junge mit der Schwanzflughaut auffängt; dass es tatsächlich blutsaugende Vampir-Fledermäuse gibt – aber nur in Südamerika, und auch dort sind nicht Menschen ihre Beute, sondern zum Beispiel Rinder oder Pferde; dass das einzige fliegende Säugetiere mit seinen Händen fliegt und mit seinen Ohren sieht.
Erlebnisse wie auf einer Kinoleinwand
Gegen 21 Uhr schaltet Susanne Roer das erste Mal ihren Detektor an, es dauert nicht lange, bis das erste “Tak, tak, tak” zu hören ist – Fledermausrufe. Sie sind für den Menschen normalerweise nicht hörbar, weil Fledermäuse im Ultraschall-Bereich “funken” und sich so orientieren und auf die Jagd gehen können. Im Schein der Taschenlampe sehen die Exkursionsteilnehmer bald die erste Fledermaus unter den Bäumen auf und ab kurven. “Da, da, da”, rufen begeisterte Kinder, wenn sie wieder einen Blick auf einen Flugkünstler erhascht haben. Weil es angefangen hat zu regnen, wird sich die Wasserfledermaus heute nicht am Weiher zeigen, vermutet Roer.
Den Kindern und auch den Erwachsenen ist aber das Bestaunen von Zwergfledermäusen und großen Abendseglern genug. Unter den Bäumen finden drei der jüngeren Kinder noch einen trockenen Platz zum Sitzen – und von dort staunen sie geduldig in die Nacht, als ob sie vor einer großen Kinoleinwand säßen. Und immer wieder durchkreuzt ihr Blickfeld eine Fledermaus. Auch Nina stört der Regen gar nicht. “Nö”, sagt sie kurz und schaut gebannt ins Scheinwerferlicht, um immer wieder einen Blick auf ihr Lieblingstier Nummer zwei zu erhaschen.