Das Stadtmuseum in Münster beleuchtet die Geschichte der Stadt von den Anfängen bis zur Gegenwart. In Sonderausstellungen werden besondere der Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt des Westfälischen Friedens thematisiert. Um auch Menschen aus dem Autismus-Spektrum oder solche mit sensorischen Schwierigkeiten die Inhalte nahezubringen, gibt es seit Frühjahr einen neuen Service. Jeden dritten Dienstag im Monat findet hier von 14 bis 16 Uhr die „Stille Stunde“ statt.
Das Angebot richte sich an alle, die ein Museumsbesuch schnell überfordern könne, sagt Museumsdirektorin Barbara Rommé. „Die Idee kam durch eine Kollegin, die selbst von Autismus betroffen ist und wegen der vielen Menschen an einem Workshop nicht teilnehmen konnte.“ Zusammen mit ihr habe sie sich mit dem Autismus-Zentrum des Deutschen Roten Kreuzes und den örtlichen Alexianer-Kliniken in Verbindung gesetzt, um ein spezielles Konzept zu entwickeln.
Mehr als zwei Jahre hätten die Vorbereitungen in Anspruch genommen, erzählt Rommé. So musste das Ganze auch finanziert werden. Als es dann gelang, die Sparkassenstiftung mit ins Boot zu holen, konnte im vergangenen März im Stadtmuseum die erste „Stille Stunde“ stattfinden. „Wir sind das erste und einzige Museum in Münster, das ein solches Programm anbietet“, sagt die Direktorin. Auch bundesweit gebe es nur sehr wenige mit vergleichbaren Führungen. Spontan fällt ihr nur das Bachmuseum in Leipzig ein, ein eher kleines Haus.
Zum Konzept des Stadtmuseums gehört, dass der Besuch im Vorfeld vorhersehbar gestaltet werden kann. Dazu wurde der Stille-Stunde-Pfad entwickelt, eine Art Wegweiser, der als App, PDF oder analoge Broschüre zur Verfügung steht und auch zur Vorbereitung genutzt werden kann. Menschen aus dem Autismus-Spektrum haben eine andere Informationsverarbeitung und erleben Situationen anders. Deshalb ist es laut Fachleuten wichtig, dass sie einschätzen können, was auf sie zukommt.
Das Personal im Münsteraner Stadtmuseum ist für die „Stille Stunde“ speziell geschult. So werden während der Zeit laute Geräuschquellen in den Ausstellungsräumen abgeschaltet, es finden keine anderen Führungen oder sonstigen Veranstaltungen statt. Assistenzhunde hingegen dürfen mitgenommen werden, und zur besseren Verständigung können im Foyer Kommunikationskarten ausgeliehen werden. Andere Museumsgäste werden beim Eintritt jedoch darauf hingewiesen, dass sie weitere Ausstellungsbesucher in der Zeit nicht ansprechen und auf eventuell ungewöhnliches Verhalten bei Teilnehmenden der „Stillen Stunde“ nicht reagieren sollen.
Für Mensch mit Autismus sei es oft schwierig, Reize zu filtern, erklärt die Museumsdirektorin. Bekämen sie zu viel Input, werde die Situation für sie stressig. Das Stadtmuseum hat deshalb zur „Stillen Stunde“ einen Rückzugsort mit Bänken und Liegematten eingerichtet, die durch Schallschutzwände voneinander abgetrennt sind. Gehörschützer liegen zudem bereit. „Damit schaffen wir eine reizarme Umgebung, in der man wieder zur Ruhe kommen und sich erden kann“, betont Rommé.
Von den Therapiegruppen, die die „Stille Stunde“ bisher besucht haben, hat Rommé nach eigenen Angaben bisher positives Feedback und auch Verbesserungsvorschläge bekommen. Das habe sie bestärkt, das Angebot weiter auszubauen. Im kommenden Jahr soll es im Pädagogischen Zentrum des Museums an sieben Terminen einen Zeichenkurs für Menschen mit sensorischen Schwierigkeiten geben. Zusammen mit einer Museumspädagogin besuchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die jeweilige Sonderausstellung und setzen danach ihre Eindrucke kreativ um. Ähnliche Malkurse bieten viele Museen speziell für Menschen mit Alzheimer seit Jahren an.
Auch die „Stille Stunde“ könnte bundesweit Fuß fassen. Sie stünde bereits in Verbindung mit anderen Museumsleiterinnen und -leitern in Deutschland, die sich für das Konzept interessierten, erzählt Rommé. Die letzte stille Rundgang für 2025 ist im Stadtmuseum am kommenden Dienstag (16. Dezember), bevor es im kommenden Jahr am 20. Januar weitergeht.