In der ersten Realverfilmung von “Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer” halten sich kurioses Abenteuer und feine Figurenzeichnung, Action und das Suchen nach Identität die Waage.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Der ehrgeizige Wunsch des Produzenten Christian Becker, sein Lieblingskinderbuch inklusive aller fantastischen Elemente für die große Leinwand umzusetzen, bescherte dem deutschen Kinderfilm unter der Regie von Dennis Gansel 2018 ein außergewöhnlich aufwändiges Werk, das sich vor der internationalen Konkurrenz in keiner Weise verstecken muss. Ähnlich sehenswert ist auch der Nachfolger “Jim Knopf und die Wilde 13” von 2020.
Auch in der Realverfilmung des Kinderbuchklassikers von Michael Ende bricht das schwarze Findelkind Jim (Solomon Gordon) mit dem befreundeten Lokomotivführer Lukas (Henning Baum) und dessen Lok zu einer wundersamen Abenteuerreise auf, um die schöne Prinzessin Li Si und darüber auch sich selbst zu finden.
Grandiose Bilder, eine in den Haupt- wie in den Nebenrollen hervorragende Besetzung und spektakuläre Schauwerte vereinen sich zu einer zeitgemäßen Adaption, die trotz aller im Computer generierten Effekte stets bei der Geschichte und den skurrilen Charakteren bleibt. Kuriose Erlebnisse und feine Figurenzeichnung, atemberaubende Action und die gemeinsame Suche nach Identität halten sich so die Waage.
Klotzen, nicht Kleckern, lautet die Devise bei der jahrelang erwarteten Realverfilmung von Michael Endes Kinderbuch “Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer”. Dass es letztlich 60 Jahre dauerte, um diesen Roman 2018 für die Leinwand aufzubereiten, hat viele Gründe.
Zum einen haben die unwahrscheinlich sympathischen, charmanten und liebenswerten Figuren der Augsburger Puppenkiste sowohl in der Schwarz-weiß-Fassung von Anfang der 1960er-Jahre als auch in der farbigen Version Ende der 1970er-Jahre die Messlatte sehr hoch gelegt.
Zum anderen wusste man aus den Umsetzungen von “Momo” und “Die unendliche Geschichte”, wie kompliziert es ist, geeignete Bilder für die sehr speziellen Fantasiewelten zu finden und gleichzeitig den Ansprüchen des 1995 verstorbenen Autors sowie der Verwalter seines Erbes gerecht zu werden.
Es ist in erster Linie der Ausdauer des Produzenten Christian Becker zu verdanken, dass dieses mehr als 25 Millionen Euro schwere Projekt dann doch realisiert werden konnte. Der Film war damit eine der teuersten deutschen Produktionen aller Zeiten. Bemerkenswert ist dabei, dass das üppige Budget ohne Hilfe aus den USA, wie ursprünglich eigentlich geplant, gestemmt werden konnte. Das führte dazu, dass die ursprünglich avisierte internationale Besetzung einem deutschen Ensemble wich, das für Authentizität und unmittelbare Nähe zur Vorlage steht.
Inszeniert wurde der Film von Dennis Gansel, einem alten Weggefährten von Christian Becker. Gemeinsam haben sie schon viele wichtige Werke realisiert, etwa “Napola” oder “Die Welle”. Beide haben sicherlich einen großen Anteil an der gelungenen Umsetzung. Doch der Mann, der im Hintergrund die Fäden zog, ist Michael Bully Herbig. Er überwachte als “Creative Producer” das Gesamtkonzept des Films.
Überdies drückt Herbig dem Werk als Synchronsprecher für das Drachen-Nilpferd-Mischlingswesen Nepomuk seinen Stempel auf, der so gerne Feuer speien und furchteinflößend wirken würde. Komponist Ralf Wengenmayr bringt zudem das Kunststück fertig, den Ohrwurm “Eine Insel mit zwei Bergen”, der sich leitmotivisch durch den Film zieht, neu zu interpretieren und für nahezu sämtliche Gemütslagen musikalisch auszugestalten.
Die Hauptprotagonisten sind indes andere. Die bekannte Geschichte dreht sich um das Findelkind Jim Knopf, das mit Lukas, dem Lokomotivführer eines Tages von Lummerland aufbricht, um Abenteuer zu erleben, eine schöne Prinzessin zu suchen, vor allem aber, um sich selbst zu finden. Was das Naturtalent Solomon Gordon als Jim und Henning Baum als Lukas hier darbieten, hat das Etikett hervorragend verdient.
Der mächtige Baum mit seiner sonoren Stimme, der in bester Bud-Spencer-Manier auch mal austeilen kann, ist der Fels in der Brandung, eine Ausgeburt an Optimismus, überbordender Lebensfreude und tiefer Nächstenliebe. Er ist schlichtweg ein Traum von einem Ersatzvater. Er verkörpert Michael Endes Philosophie vom kulturübergreifenden Miteinander, die in unserer realen Welt immer mehr zur Utopie mutiert, auf bestmögliche Weise.
Auch die weiteren Lummerland-Bewohner, Uwe Ochsenknecht als schusseliger König Alfons, Annette Frier als mütterlich-herzliche Frau Waas und Christoph Maria Herbst als penibler Anzugträger Herr Ärmel fügen sich perfekt in die idyllisch-heile, Licht durchflutete, künstlich-verklärende Spielzeug-Eisenbahn-Welt ein. Aber, und das ist der eigentliche Clou an dieser zeitgenössischen Jim- Knopf-und-Lukas-der-Lokomotivführer-Variante: der Film hat Schauwerte zu bieten.
Grandiose Kinobilder aus der Wüste, in der der Scheinriese Tur Tur (kaum zu erkennen: Milan Peschel) haust, aber auch die imposante asiatisch angehauchte Metropole von Mandala oder die düstere Drachenstadt; hier wurde auf visueller Ebene wahrlich gezaubert.
Trotz aller im Computer generierter Effekte und topmoderner Tricktechnik schaffen es die Filmemacher aber fast mühelos, stets bei der Geschichte und ihren skurril-menschlichen Charakteren zu blieben. So halten sich kurioses Abenteuer und feine Figurenzeichnung, atemraubende Action und das gemeinsame Suchen nach Identität in etwa die Waage. Das hätte vermutlich auch Michael Ende gefallen.