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Atme in uns, Heiliger Geist

Ist der Heilige Geist dem unheiligen Zeitgeist gewichen? Während zum Pfingstfest in den Kirchen angestimmt wird „Atme in uns, Heiliger Geist“, attestieren manche eben diesem eine schwache Lunge. Oberkonsistorialrätin Christina Bammel kann diesen Pessimismus nicht teilen. Es bedarf nur der nötigen Frischluft. Im Titelkommentar zu Pfingsten öffnet sie die Fenster zum Querlüften. Einmal tief einatmen, bitte.

Gedanken zu Pfingsten

Von Christina-Maria Bammel

Vorweg: Einen besseren Augenblick in der Geschichte als heute jetzt und hier Teil dieser Kirche zu sein, kann ich mir nicht vorstellen. Wir werden anders – atemberaubend anders.Sicher sind viele nicht nur begeistert von dem, was ansteht in den Gemeinden. Macht auch Angst und treibt das Gedankenkarussell an, was sich seit einer Weile neu und anders bildet – für die einen viel zu langsam, für die anderen besinnungslos schnell und unbarmherzig. Und nicht wenige fragen: Atmet Gottes Geist tatsächlich noch in dem, was wir wagen, tun und versuchen? Wenn am Pfingsttag in den Kirchen und unter dem Himmel zusammen angestimmt wird „Atme in uns, Heiliger Geist“, dann fragt man sich vielleicht hier und da: Leitet Gottes Geist tatsächlich noch das Handeln dieser Kirche?

Gottes Geist hört nicht auf uns zu suchenWas macht Mut? Unsere Kirche kommt aus Gottes Geist – so unser Bekenntnis. Nicht aus unseren Strategien. Die Kirche sei geistlos und purer Zeitgeist. So ein Vorwurf. Ich sehe das anders. Gottes Geist hört nicht auf, uns zu suchen, ob wir Wege zwei- oder dreimal gehen, Holzwege ausbauen oder umkehren, Strukturen so lassen oder umbauen. So wird unsere Kirche nicht Gottes Geist los, geist-los. Gottes Geist bleibt dabei, uns zu suchen und zu finden und hat Gaben dabei, Geistesgaben – Weisheit, Verstand, Stärke, um nur einige zu nennen. Schon allein das ein Wundergeschenk, dass sie da sind! Wie geist-reich so viele Menschen in unseren Gemeinden sind!

Kleingeisterei vergiftet die CharismenKleingeisterei ist dagegen Gift für die wundervollen Charismen, mit denen sich Menschen in den Gemeinden einsetzen. Kleingeisterei pflanzt sich gern in die Zwischenräume unseres Kirchenlebens; niemand will das und trotzdem passiert es – wie Schimmel zwischen den Fugen in Küche und Bad. Frischluft wird immer nötig sein, und die kommt eben nicht allein von geöffneten Fenstern.Habe ich eine Ahnung davon, wie lang die To-do-Listen und wie schwer die Bedingungen für uns Gemeindemenschen im Augenblick sind? Gerade, wenn die eigenen Kräfte zu schrumpfen scheinen? Aktuell: Begeisterte mit langem Atem und Geduld finden für die Leitung der Gemeinden; Konzentration der Aufgaben wagen, niemanden abhängen und doch akzeptieren, dass nicht für alle alles „angeboten“ werden kann. Wie schwer es ist, überhaupt die Türen und Fenster derer aufzubekommen, die schon lange nichts mehr von der Sehnsucht nach Gottes Geist wissen, spüren oder hören wollen? Habe ich eine Ahnung, wie die Dissonanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit schmerzt? Und wie müde solche Dissonanzen machen? Drohende Überforderung geht um wie ein Gespenst und verursacht Schnappatmung.Gottes Geistkraft überfordert nicht. Sie weckt, stärkt und fordert, aber sie überfordert nicht! Sie gibt Atem und jagt nicht in die Atemlosigkeit. Ginge das nicht auch ein bisschen wirksamer? Gott überfährt Menschen nicht einfach mit Pneuma, mit Geisteskraft, das wäre eine „brutale Gnade“. Die verträgt sich nicht mit Gottes Menschenfreundlichkeit. Gottes Geist atmet weder über unsere Köpfe hinweg noch wirbelt er uns in irgendein Wunderland wie einst die 14-jährige Dorothy aus dem Kinderbuch „Der Zauberer von Oz“ ins Land Oz.

Jetzt ist der richtige AugenblickDarum: Heute und hier ist der richtige Augenblick, für diesen Kontinent, für diese Nachbarschaft, dieses Dorf zu sorgen, erkennbar aus Freude am Evangelium, geistreich und geistbegabt. Zusammen. Die Charismen der Schwester, des Bruders im Blick, nicht ihre Defizite. Gottes Geist arbeitet statt mit unseren Erfolgen lieber mit unserer Sehnsucht, atmet so in uns.