Parteien wechselte er rasch und oft. Seinem Lebensthemen Humanitäre Hilfe und Menschenrechte blieb Bernard Kouchner indes stets treu. Nun wird er 85 Jahre alt.
Er will und wollte sich mit Missständen nicht kommentarlos zufrieden geben. Nicht in seiner Arbeit als Arzt, nicht in seiner Tätigkeit als Politiker oder Menschenrechtsaktivist. Bernard Kouchner, der am 1. November 85 Jahre alt wird, kämpft seit Jahrzehnten für die Menschenrechte an unterschiedlichen Fronten. Dabei hat der politisch linke Politiker gleich mehrere Karrieren hingelegt und zwei Hilfswerke gegründet.
Geboren nur Wochen nach Kriegsausbruch 1939 als Sohn eines jüdischen Vaters und einer protestantischen Mutter in der Papststadt Avignon, wurde Kouchner früh politisch geprägt. Er interviewte 1965 Fidel Castro, brach mit der Kommunistischen Studentenunion UEC. Später heiratete er die Ex-Geliebte Castros, Evelyne Pisier. Während der Studentenrevolte im Mai 1968 war er als Autor aktiv.
Im Bürgerkrieg um Biafra in Nigeria bekam der junge Arzt 1968 seine entscheidende Prägung. Angesichts des Elends wollte er nicht nur helfen und neutral bleiben. Kouchner fühlte eine Pflicht zur “humanitären Einmischung”. Verletzungen der Menschenrechte schlügen das Argument der “inneren Angelegenheiten” eines Staates, so sein Credo. “Unparteilichkeit ja, Neutralität nein.”
Ende 1971 gründete der Magen-Darm-Spezialist gemeinsam mit anderen jungen Ärzte daher die nichtstaatliche Hilfsorganisation Medecins sans Frontieres (MSF, Ärzte ohne Grenzen). Die jungen Mediziner, die mit dem Französischen Roten Kreuz vor Ort in Biafra waren, wollten infolge ihrer Erfahrungen in Nigeria die Hilfe besser ausstatten, unbürokratischer, medizinischer und reaktionsstärker machen – weltweit. Aber es sollte auch mehr über die unzähligen, oft vergessenen Krisen berichtet werden.
Kouchner widmete sich der Arbeit für MSF, heute eine der größten unabhängigen Organisationen für medizinische Nothilfe, mehrere Jahre lang, wurde erster Vorsitzender. Es gab Einsätze in Nicaragua und Südostasien. Er selbst wollte angesichts des unbeschreiblichen Elends, das er in Biafra erlebt hatte, nicht nur helfen und neutral-verschwiegen bleiben, sondern als Augenzeuge auch anprangern.
Die Frage der Neutralität und Ausmaß sowie Form der Kritik an Regierungen führte letztlich zum Bruch Kouchners mit seinen Nachfolgern und mit der Organisation. Die Frage, wie neutral dabei Ärzte ohne Grenzen als genauer Beobachter der Zustände vor Ort bleibt, treibt die Organisation bis heute um.
Kouchner indes schied aus und gründete 1980 eine zweite, ähnliche Organisation, die Medecins du Monde (MDM, Ärzte der Welt). Anders als Ärzte ohne Grenzen haben die Ärzte der Welt es sich klar als Ziel gesetzt, Gräueltaten und Menschenrechtsverletzungen auch zu dokumentieren und sie offen anzuprangern.
Danach wandte sich Kouchner 1988 der französischen Politik zu – beinahe zehn Jahre ohne Parteibuch: als Staatssekretär für soziale Integration, dann für humanitäre Angelegenheiten, dann als Gesundheitsminister. 1994 wurde er Abgeordneter des EU-Parlaments und 1999, nach den Nato-Bombardierungen im Jugoslawien-Krieg, UN-Sonderbeauftragter und Leiter der Übergangsverwaltung im Kosovo.
Nach Lehrtätigkeiten in Paris und Harvard wurde Kouchner 2007 Außen- und Europaminister im zweiten Kabinett Francois Fillon. Das Vorgehen von Frankreichs Regierung und Präsident Sarkozy gegen die Roma- und Flüchtlingslager im eigenen Land empörte Kouchner. Als sie auch den Partner Deutschland 2008 mit zweifelhaften Aussagen in Zugzwang brachten, brachte das 2010 das Aus. Kouchner verließ die Regierung Fillon.
2015 engagierte er sich in der Agentur zur Modernisierung der Ukraine und erarbeitete gemeinsam mit bekannten Persönlichkeiten wie Günter Verheugen, langjähriger EU-Kommissar, einen Bericht mit knapp 280 Reformvorschlägen für die Ukraine.
In diesem Jahr wollte Kouchner, 25 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung, an seine ehemalige Wirkungstätte, den Kosovo, reisen. Doch kurzfristig gab es eine Planänderung und stattdessen ein Treffen zwischen Ministerpräsident Albin Kurti und Kouchner in Paris.