Artikel teilen:

Arte-Film: Als Kaiserin Maria Theresia die Juden aus Prag vertrieb

Maria Theresia gilt als gütige Herrscherin und “Mutter ihrer Völker”. Doch gegenüber den Juden kannte die Habsburger-Regentin kein Pardon. Ein Arte-Film zeigt, wie sie die Juden aus Prag vertrieb.

Maria Theresia (Fanny Krausz) unterhält sich mit ihrem Gatten
Maria Theresia (Fanny Krausz) unterhält sich mit ihrem GattenCeská televize/ Páchová Zuzana

Es ist der letzte von einem Herrscher verordnete große Terrorakt gegen Juden in Europa vor dem Holocaust. Mitte Dezember 1744 befiehlt die böhmische Königin und spätere Kaiserin Maria Theresia die Vertreibung der Juden aus Prag und Böhmen.

Was trieb die Monarchin zu dieser Gewalttat gegen die größte und wichtigste jüdische Gemeinde Europas? Der deutsch-französische TV-Sender Arte geht dieser Frage in einer am Samstag um 20.15 Uhr zu sehenden Dokumentation nach. Einer Frage, die angesichts des wiedererstarkten Antisemitismus und mancher Remigrationspläne hoch aktuell ist.

Maria-Theresia hatte Hass gegen die Juden

Die Herrscherin aus dem Hause Habsburg wird gemeinhin als aufgeklärte Monarchin und “Mutter ihrer Völker” stilisiert. Doch in ihrem Hass gegen die Juden erwies sich die katholische Monarchin als eiskalt. “Das ist Maria Theresias dunkle Seite”, sagt die Historikerin und Maria-Theresia-Biografin Barbara Stollberg-Rilinger in dem Film “Die Vertreibung der Juden aus Prag”, der Spielszenen, Archivrecherchen und Interviews mit Historikern, Kirchenleuten und Vertretern des Judentums zu einer gelungenen Geschichtsstunde mischt. Besonderes Augenmerk legt die Produktion auf historische Dokumente – unter anderem Handschriften aus dem Prager Nationalarchiv – , die zeigen, wie die Leiter der Jüdischen Gemeinde flehentlich Ausnahmen für Frauen, Kinder, Alte und Kranke zu erwirken suchten.

Auf der Suche nach Erklärungen verweist die 2023 bereits in Österreich zu sehende Dokumentation von Regisseurin Monika Czernin und Fritz Kalteis (Regie Reenactments) auf den großen politischen Druck, unter dem Maria Theresia damals regierte. Schließlich stand die Habsburger-Monarchie am Abgrund, weil Preußen, Bayern, Sachsen und Frankreich nicht bereit waren, den Anspruch einer Frau auf die Regentschaft anzuerkennen. 1740 begann der Österreichische Erbfolgekrieg; Preußens König Friedrich der Große fiel in Schlesien ein.

Juden als “die ärgste Pest”

Persönlich bezeichnete die fromme Herrscherin die Juden als “die ärgste Pest” – eine Überzeugung, die ihr jesuitischer Beichtvater laut Film unterstützte und die sich aus dem Jahrhunderte propagierten Anti-Judaismus der Kirchen speiste. Die Monarchin stand dabei auch in einer Familientradition: Die Habsburger galten zwar als Beschützer der Juden. Doch waren es vor allem fiskalische Überlegungen, die sie dazu bewogen, Jüdinnen und Juden anzusiedeln, sagt die Direktorin des Jüdischen Museums Wien, Barbara Staudinger. “Sobald der politische Druck größer wurde oder sich ein finanzieller Vorteil versprach, waren auch die habsburgischen Herrscher bereit, die jüdischen Gemeinden zu vertreiben.” Schon Maria Theresias Großvater Leopold I. jagte 1670 alle Juden aus Wien.

Die Juden Prags packen ihre Habseligkeiten und verlassen die Stadt
Die Juden Prags packen ihre Habseligkeiten und verlassen die StadtCeská televize/ Páchová Zuzana

“Prag war DIE jüdische Gemeinde in Europa”, sagt Historikerin Rotraud Ries. Ihre Mitglieder verfügten über europaweite Handelskontakte, auch der Wohlstand der böhmischen Hauptstadt hing stark von ihnen ab. Dennoch blieb Maria Theresia zunächst gnadenlos – und das, obwohl die Prager Juden eine europaweite Kampagne organisierten, um die Regentin zum Einlenken zu bringen. Sogar der Papst bat die fromme Katholikin um Menschlichkeit.

Rückkehr der Prager Juden in das Ghetto

Vergebens: Über 10.000 Juden des Prager Ghettos, jeder vierte Einwohner der böhmischen Hauptstadt, sowie 30.000 böhmische Landjuden mussten ihre Heimat in der strengen Kälte des Januar 1745 verlassen, mehr als 1.400 starben. Erst im Spätsommer 1748 kam der Umschwung, weil selbst höchste Berater am Wiener Hof die Herrscherin wegen der wirtschaftlichen Schäden der Vertreibung unter Druck setzten: Maria Theresia gestattete die Rückkehr der Prager Juden in das Ghetto – wobei sie, wie später Nazi-Größe Hermann Göring, den jüdischen Familien aufbürdete, den durch die Vertreibung angerichteten Schaden selber zu bezahlen.

Ein roter Faden der Dokumentation ist das El Male Rachamim, das jüdische Totengedenken. Es taucht gleich zu Beginn auf, wenn über die Toten des Pogroms berichtet wird, und führt am Ender des Films bis in die Gegenwart: Rabbi Michael Dushinsky singt in der ältesten erhaltenen Synagoge Europas, der Altneu-Synagoge in Prag, das Totengedenken für die Millionen Opfer von Pogrom, Vertreibung und Holocaust.

“Die Vertreibung der Juden aus Prag”: Samstag, 24. Februar, um 20.15 Uhr auf Arte