Als an einem Gymnasium anonym ein bevorstehender Suizid angekündigt wird, rückt die psychische Verfassung von vier Schülern und einem Lehrer in den Fokus. Etwas überladenes, aber toll gespieltes Drama.
“Naja, von uns wird es keiner sein”, meint Julia, nachdem die anonyme Ankündigung einer bevorstehenden Selbsttötung an ihrer Schule die Runde gemacht hat. “Uns”, das ist die Clique der auch “Einstein” genannten Einserschülerin, zu der außerdem der sanfte Waldi, die sonnige Mina und der verschlossene Tom gehören. Ein erster Moment der Irritation, als das Mädchen auf den nachgeschobenen Satz “Wir sind Freunde! Das würden wir uns ja wohl erzählen – oder nicht?!” lediglich Schweigen erntet.
Ohne zu viel verraten zu wollen: Womöglich irrt sich Julia da. Denn natürlich stehen diese vier Abiturienten nicht ohne Grund im Zentrum des Fernsehfilms “Von uns wird es keiner sein”, den das ZDF am Montag, den 20. Oktober von 20.15 bis 21.45 Uhr ausstrahlt. Jede und jeder von ihnen hat ein Päckchen an psychosozialer Belastung zu tragen, das mitunter selbst vor dem engsten Umfeld gut verborgen wird.
Ein Lehrer spielt eine weitere Hauptrolle: Ritchie Ludger ist der engagierteste Vertreter jener Fraktion im Lehrerzimmer, die das viral gegangene Video ernst zu nehmen anmahnt. Dass der sensible Mann selbst seine Erfahrungen mit dem Thema mentale Gesundheit hat, tritt peu a peu zutage.
Fünf Tage Zeit gibt der oder die Verfasserin des Videos, ihn oder sie “zu finden”, um den Suizid womöglich noch zu verhindern. Der von Lucas Flasch geschriebene und von Simon Ostermann in Szene gesetzte Film ist also eine als Countdown angelegte Mischung aus Krimi, Psychodrama und Coming-of-Age, versehen mit dem ein oder anderen Thriller-Element. Ein durchaus gewagter Mix, der auch nicht zu hundert Prozent aufgeht – allerdings stark von tollen schauspielerischen Leistungen lebt.
Vor allem die jugendlichen Darsteller mit ihren herausfordernden Rollenprofilen sind hervorragend: Mina-Giselle Rüffer als zurückhaltende und etwas einsame Julia, Lukas von Horbatschewsky als der mit seiner Trans-Identität ringende Waldi, Derya Akyol als Mina, die viel zu früh große familiäre Verantwortung übernehmen muss. Sowie Kosmas Schmidt als Tom, der in einer vom Suizid der Schwester und Tochter traumatisierten Familie aufwächst. Dazu kommen etablierte, einmal mehr überzeugende Schauspieler wie Sabin Tambrea als Ritchie Ludger, Mariele Millowitsch als dessen abgebrühte Kollegin Trautstein und Stefanie Reinsperger als Schulpsychologin Dagostino.
Der Film wird im Rahmen des Programmschwerpunkts “Psychisch stark – Wege aus der Depression” ausgestrahlt, auf den ZDF, Arte und 3sat zur “Woche der seelischen Gesundheit” mit zahlreichen Produktionen ihr Augenmerk legen. Auch wenn “Von uns wird es keiner sein” kein typischer hölzerner “Themenfilm” ist, merkt man ihm einen gewissen didaktischen Impetus und den Versuch, möglichst viele psychische Probleme “abzudecken”, doch an. Was notgedrungen zu einer eher oberflächlichen Behandlung der einzelnen Krankheiten führt.
Allzu überladen und konstruiert ist die Story – abzulesen insbesondere am Erzählstrang um den Lehrer. Offensichtlich ging es dabei darum, zu zeigen, dass auch ältere Menschen von psychischen Erkrankungen betroffen sein können. Wie das erzählt wird, ist allerdings nicht wirklich überzeugend – als wären Depressionen, gerade im privaten Bereich, noch dermaßen ein Tabuthema.
Nichtsdestotrotz vermag die Produktion über weite Strecken zu fesseln, was neben den darstellerischen Leistungen und einer prägnanten Musikspur am gut beobachteten sowie stimmig und detailreich erzählten menschlichen Miteinander liegt. Mit einer eindrücklichen Bildsprache, die häufig Blicke in oder aus Fenstern heraus in Szene setzt, wird hier eine Spezies seziert, deren Vertreter es geradezu meisterhaft verstehen, die jeweilige Fassade zu wahren. Was nur leider nicht hilft, wenn die Seele leidet.
Was also tun? Die Distanz überwinden zwischen den Fassaden – zwischen uns Menschen also. Um mit der Schulpsychologin Dagostino zu sprechen: “Such dir Freunde! Sei ein Freund! Passt aufeinander auf!” Und: Professionelle Hilfsangebote wahrnehmen – im Abspann listet der Film diverse entsprechende Möglichkeiten auf.