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Arte-Dokumentation über Trauer bei Tieren

Ein Schimpanse wacht bei seinem toten Freund, ein Delfin trägt sein Kalb durchs Meer: Eine Arte-Doku zeigt seltene Szenen und erklärt, wie Tiere auf den Tod reagieren – und warum echte Trauer nur schwer zu beweisen ist.

Wenn ein Freund oder Familienmitglied stirbt, stellt sich oft tiefe Trauer um den schmerzlichen Verlust ein. Solche Gefühlsregungen, die zum Anstieg der Stresshormone führen, gibt es auch bei Tieren. Unter Forschenden sind sie aber umstritten und werden eher als Verlustangst interpretiert. Ein noch junger Forschungsbereich schaut genauer hin. Die Dokumentation “Empfinden Tiere Trauer? Neues aus der Verhaltensforschung” zeigt einmalige Aufnahmen von bewegenden Reaktionen verschiedener Tierarten auf den Tod von Artgenossen. Arte begibt sich am 13. Dezember um 21.45 Uhr auf Spurensuche.

Warum beschützt ein Schimpanse in Namibia den Körper seines gerade verstorbenen Freundes? Warum schiebt ein weiblicher Delfin in Portugal tagelang den leblosen Körper seines Kalbes durchs Wasser des Atlantischen Ozeans? Und warum versammeln sich Elefanten in Indien und Raben im japanischen Ausflugspark Inuyama um tote Artgenossen? Solch faszinierende Phänomene werden in der vergleichenden Thanatologie untersucht. Dieses Gebiet liegt an der Schnittstelle von Verhaltensforschung und Biologie und erforscht das Verhalten von Tieren im Zusammenhang mit dem Tod.

Wissenschaftler wie Edwin van Leeuwen, Primatologe von der Universität Utrecht, und Teresa Iglesias, Biologin an der Universität Ohinawa, analysieren in der Doku, wie Tiere auf den Tod von Artgenossen reagieren. Sie schauen auch, ob diese dabei Trauer empfinden oder mehr den Verlust von Sicherheit oder Angst vorm Alleinsein – eine Vielzahl an Beobachtungen lässt die Experten das stark vermuten. Nebenbei räumt der Beitrag auch den Mythos Elefanten-Friedhof aus, der Anfang der 1930er Jahre durch den US-Autor Edgar Rice Borroughs und seine “Tarzan”-Geschichten vermittelt wurde. Sterbende Dickhäuter suchen demnach bestimmte Orte auf.

Für seine neueste Arte-France-Doku hat sich Regisseur Jacques Mitsch filmisch auf Spurensuche begeben – mit einmaligen Aufnahmen und Erkenntnissen, die das Bild von tierischen Emotionen grundlegend verändern. Der Filmemacher ist mit der Kamera dabei, wenn der junge Forschungsbereich versucht, die Geheimnisse des Todes in der Tierwelt zu entschlüsseln.

Der im südfranzösischen Toulouse lebende Mitsch ist studierter Biologe und arbeitet seit vier Jahrzehnten als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent. Als wissenschaftlichen Berater für den Film konnte Mitsch James Anderson von der Universität im japanischen Kyoto gewinnen. Er ist als Schimpansen-Spezialist Mitbegründer der vergleichenden Thanatologie bei Tieren. “Ich werde oft gefragt, welchen Sinn die Thanatologie hat. Ich denke, das Wissen, dass Tiere zu komplexen Reaktionen fähig sind, wenn sie den Tod eines Artgenossen miterleben, sollte uns dazu anspornen, sie besser zu behandeln”, sagt der Verhaltensforscher im Film.

Kompakt und reich an imposanten Bildern bietet die Dokumentation interessante Einblicke in ein neues Forschungsfeld. Die monatelangen Dreharbeiten führten den Regisseur und Team nach Belgien, in die Niederlande, nach Indien, Namibia, Portugal und Frankreich. Besucht wurde auch der Internationale Kongress für Vergleichende Thanatologie in Japan, wo führende Experten dieser aufstrebenden Wissenschaft sich austauschen und im Film zu Wort kommen.

“Am schwierigsten war es, wirklich aussagekräftiges Filmmaterial zu bekommen”, erläutert der 69-jährige Filmemacher der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) die besondere Herausforderung dieses Projekts. Da “das Filmen von Todesfällen äußerst komplex ist, war ein immenser Rechercheaufwand nötig”. Mitsch musste dabei Neuland betreten, denn die Forschenden selbst greifen stark auf Archivmaterial zurück.

Empfinden Tiere denn nun Trauer oder nicht? Die Vergleichende Thanatologie sei eine noch im Aufbau begriffene wissenschaftliche Disziplin, gibt Mitsch zu Bedenken. “Man lernt täglich dazu, und es wäre sehr riskant, voreilige Schlüsse zu ziehen.”