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Arte-Doku beleuchtet Spaniens Weg zur Demokratie nach dem Tod Francos

50 Jahre ist es her, dass der faschistische Diktator Francisco Franco starb. Die junge spanische Demokratie kämpft immer noch mit den Nachwirkungen – vor allem wegen eines Versäumnisses.

Als Francisco Franco vor einem halben Jahrhundert für immer einschlief, erwachten Millionen Spanier aus einem 36-jährigen Alptraum. Francos faschistisches Regime, das nicht als letzte, aber als eine der letzten Diktaturen in Europa galt, war von Repression, Zensur und Unterdrückung jeder politischen Opposition geprägt. Eine Arte-Dokumentation zeichnet nun den steinigen Weg des Landes zur Demokratie nach. Dazu schaut der spanische Investigativjournalist Pedro Barbadillo gemeinsam mit der Dokumentarfilmerin Cosima Dannoritzer durch die Augen von Óscar Martín und Paloma Rodríguez, die beide an Francos Todestag, dem 20. September 1975, das Licht der Welt erblickten.

Durch diese Ineinanderspiegelung von persönlicher Erinnerung und jüngerer Historie gerät “Das Erbe des Diktators” nicht zur abstrakten Geschichtslektion. Zwar liefert der Film keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse, doch macht er “La Transición” (den Übergang) zur Demokratie als Prozess erfahrbar, der von zahlreichen Krisen, Rückschlägen und Altlasten des verkrusteten Systems geprägt ist.

Etliche dieser Probleme, so verdeutlicht die Dokumentation, wurzeln in einem Geburtsfehler der spanischen Demokratie, der allerdings erst auf den zweiten Blick ersichtlich wird. Denn die Zukunft erschien plötzlich für viele Spanier rosig auszusehen: Als Juan Carlos I. nach dem Ableben Francos 1975 zum König proklamiert wurde, gerierte er sich – zur Überraschung der Franquisten – nicht als der erwartete Hüter des faschistischen Systems. Stattdessen erwies sich der junge König als Türöffner zu einer neuen Epoche.

Die Dokumentation erinnert jedoch daran, dass die Franco-Ära nicht nur einen Schatten über die aufkeimende Demokratie warf. Polizei, Justiz und Militär wurden nämlich nicht reformiert. Ebenso wenig wie die katholische Kirche, die eine der wichtigsten Stützen des Franco-Regimes war. Folge dieses Versäumnisses, so zeigt der Film, ist ein zweigeteiltes Bild.

So fanden schon bald nach Francos Tod, im Juli 1977, die ersten freien Wahlen nach fast 40 Jahren statt. Die damit einhergehende Freiheit spiegelt sich nirgendwo deutlicher als in der florierenden Subkultur. Zu Wort kommt dazu der Regisseur Pedro Almodóvar, der inzwischen eine Legende ist. Mit seinem Debüt “Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón” (1980) sowie seinem zweiten Film “Laberinto de pasiones” setzte er der “Movida madrileña”, jener punkartigen Kulturbewegung der städtischen Jugend, ein Denkmal: “Was für den Rest der Welt die 60er waren, waren für uns Spanier die 80er-Jahre. Wir waren etwas später dran.”

Neben dieser bunten, schrillen und queeren Movida spukten im Hintergrund allerdings noch immer Francos Dämonen. Um beispielsweise den Terror der baskischen Separatisten, die ETA, zu bekämpfen, wurde die GAL (Grupos Antiterroristas de Liberación) ins Leben gerufen: eine paramilitärische Todesschwadron mit Verbindungen zu den höchsten Ebenen der spanischen Regierung, die unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung selbst Terror ausübte. Während die GAL als methodisches und ideologisches Erbe der Franco-Ära im Verborgenen operierte, arbeitete die Franco-Stiftung bis vor kurzem in der Öffentlichkeit an einem Geschichtsrevisionismus, der darauf abzielte, das Bild des Diktators zu verherrlichen.

Der Rückblick auf die spanische Demokratie – der Juan Carlos’ Vereitelung eines Putschversuchs 1981 ebenso erwähnt wie seinen unrühmlichen Abgang als dekadenter “Großwildjäger” – bleibt trotz der verknappenden Verdichtung anschaulich und zugänglich. Mit welchen juristischen Winkelzügen die Aufarbeitung der Franco-Ära noch heute zu kämpfen hat, zeigt ein abschließender Blick auf ein besonders trauriges Vermächtnis. So verschwanden während des Bürgerkriegs und der nachfolgenden Diktatur laut Schätzungen 150.000 Todesopfer in Massengräbern. Viele wurden bis heute nicht entdeckt.

Als Baltasar Garzón, Ermittlungsrichter am Nationalen Gerichtshof, die Exhumierung eines dieser Gräber anordnete, wurde ein Verfahren gegen ihn eröffnet. Der Grund: Garzón habe gegen das Amnestiegesetz von 1977 verstoßen, jenen “Pakt des Schweigens”, der den Übergang zur Demokratie erleichtern sollte. Demnach ist die strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen des Franco-Regimes weitgehend untersagt. “Das ist, als ob man in Deutschland ein Verfahren gegen die Ermittler von Nazi-Verbrechen oder zu Hitler einleiten würde”, kritisiert Garzón. Dies zeigt, welche Schwierigkeiten die junge Demokratie überwinden musste – und muss. Das Amnestiegesetz gilt bis heute.