Sergio Massa gewinnt den ersten Durchgang von Argentiniens Präsidentenwahlen deutlich – und lädt Papst Franziskus ein. Herausforderer Milei, ein scharfer Kritiker des Papstes, tritt erst mal auf der Stelle.
Der politische Erdrutsch in Argentinien ist ausgeblieben: Das linksperonistische Regierungslager hat den ersten Durchgang der Präsidentenwahlen überraschend klar gewonnen. Wirtschafts- und Finanzminister Sergio Massa kam auf 36,7 Prozent der Stimmen, verpasste aber die nötige Mehrheit für einen Sieg im ersten Durchgang. Das Ergebnis in dieser Höhe ist eine Überraschung. Wie schon vor den Vorwahlen lagen die Umfrageinstitute wieder mal ordentlich daneben. Argentinien bleibt ein unberechenbares politisches Pflaster.
Damit kommt es am 19. November zur Stichwahl gegen den radikal-marktliberalen Ökonomen Javier Milei, der seinen ebenso überraschenden Sieg bei den Vorwahlen mit diesmal knapp 29,9 Prozent nicht wiederholen konnte. Damit werden die Karten neu gemischt.
Entscheidend für den Ausgang der Stichwahl wird nun sein, wie sich die rund 24 Prozent der Wählerstimmen der unterlegenen konservativen Kandidatin Patricia Bullrich aufteilen, die am Wahlabend scharfe Kritik am Regierungslager übte. Zwar geht Massa nun als klarer Favorit ins Rennen; doch abschreiben sollte man Milei noch nicht.
Schon am Abend begann das Rennen um die Stimmen derer, die nicht für Milei oder Massa votierten. Während Massa zur Bildung einer “Regierung der nationalen Einheit” und zu einer Überwindung der Spaltung aufrief, appellierte Milei an jene 64 Prozent der Wähler, die nicht für die “kriminelle Organisation gestimmt” hätten, ihre Kräfte zu bündeln und einen Politikwechsel in Argentinien möglich zu machen. Milei will mit marktwirtschaftlichen Reformen die schwere Wirtschaftskrise des Landes bekämpfen. Argentinien verzeichnet eine Jahresinflation von 140 Prozent und eine Armutsrate von 40 Prozent.
Tatsächlich ist es ihm mit seiner erst zwei Jahre alten Bewegung La Libertad Avanca (Die Freiheit schreitet voran) gelungen, das bisherige politische System Argentiniens durcheinanderzuwirbeln. Den Preis dafür zahlte aber nicht die Regierung, sondern das konservative Lager, das diesmal im Rennen um das Präsidentenamt chancenlos war. Nun müssen sich Bullrich und Ex-Präsident Mauricio Macri überlegen, wie sie sich strategisch aufstellen. Sprechen sie sich für Milei aus, könnte das ihre eigene Zukunft als Oppositionskraft in Frage stellen. Unterstützen sie das Massa-Lager, wäre Mileis Narrativ von einer “politischen Kaste” bestätigt, die das Land im Griff habe.
Massa ist es gelungen, das peronistische Potential nahezu komplett zu mobilisieren. Er muss nun den Konservativen ein Angebot machen, so dass ein ausreichender Teil der Wähler ihr Kreuz beim ungeliebten Peronismus macht. Milei dürfte nach seinem aggressiven Wahlkampf mit frontalen Angriffen auch gegen Papst Franziskus seinen Stil überdenken, wenn er auch in der Mitte punkten will.
Die Kirche hatte sich in diesem Wahlkampf politisch eindeutig positioniert. Armenpriester, traditionell auf der Seite der Peronisten, organisierten Solidaritätsgottesdienste für den scharf kritisierten Papst. Dem hatte Milei vorgeworfen, zu den Linksdiktaturen in Lateinamerika zu schweigen und sich damit auf ihre Seite zu stellen. Allerdings hatte Milei seinerseits die Verbrechen der rechten Militärdiktatur (1976-1983) verharmlost – was wiederum für scharfe Kritik von Menschenrechtsorganisationen sorgte.