Frührentner Prange fühlt sich in seinem Haus wie der Depp vom Dienst. Nimmt Pakete an, trennt den Müll der Nachbarn, versorgt alle mit Grillfleisch – nur danken tut es ihm nie einer. Meint er. Doch dann verliebt er sich…
“Draußen ist Party. Draußen ist Dörte. Draußen ist alles!” versucht ihn sein Kumpel Micki durch die geschlossene Wohnungstür hindurch zu motivieren. Doch Prange verschanzt sich lieber im Gewohnten, seinen eigenen vier Wänden, da, wo seine Regeln herrschen, er die Dinge kontrollieren kann. Denn in den Wochen zuvor war dem Frührentner für den eigenen Geschmack viel zu viel entglitten. Beziehungsweise: Er hat sich verliebt. In Dörte. Die neue Paketzustellerin.
Mit diesem Berufsstand hat Prange traditionell viel zu tun, leitet er doch die inoffizielle Paket-Annahme-Stelle eines Mehrfamilienhauses in Hamburg-Barmbek. (Auch Micki, der gerne auf ein paar Feierabend-Bierchen bei Prange abhängt, ist einer von Dörtes Kollegen). Überhaupt übernimmt Ralf Prange mit großer Gewissenhaftig- und auch Übergriffigkeit allerlei Aufgaben in seiner Hausgemeinschaft: sortiert etwa den Müll, wenn die Nachbarn mal wieder falsch getrennt haben. Und zu den gemeinsamen Grill-Abenden steuert er stets viel mehr bei als die anderen, eins seiner fixen Themen. Alles Dinge, die ihm, davon ist er überzeugt, nicht gedankt werden. Prange fühlt sich nicht gesehen, weshalb er schon mal laut und ziemlich ungehalten werden kann.
Finanziell hat der Mittfünfziger längst ausgesorgt, weil er schon früh “in Windkraft gemacht hat”. Seit dem Tod seiner Mutter lebt er zudem allein, hat sich fest eingerichtet in seinen Regeln, Ritualen und gewohnten Abläufen. Doch dann begegnet er Dörte, und es ist um ihn geschehen: Nicht nur, dass sie eine 140-Kilogramm-Sackkarre stemmen und einen Lieferwagen steuern kann. Sie mag auch deftige Mettbrötchen, und das bereits um 11 Uhr morgens! Dörte ist ebenfalls interessiert, findet Prange “so bei sich, so geradeaus”.
Irgendwann haben die beiden endlich ein Date: Es geht in den Baumarkt, “durch die Schaumtapetenabteilung schlendern”. Doch das anschließende Tapezieren in Dörtes Wohnung geht gehörig schief, sie schmeißt ihn enttäuscht raus. Woraufhin er sich, siehe eingangs, wieder in die eigenen, gewohnten vier Wände zurückzieht: “Vielleicht ist es auch besser so. Ganz alleine. War ja eigentlich immer ganz schön!”
Bjarne Mädel spielt diesen leicht griesgrämigen, aber auch nicht unsympathischen Charakter nuanciert und toll; er ist die Idealbesetzung für den rechthaberischen und gleichzeitig anrührend hilfsbereiten Typen, der eine ungewöhnliche Hauptfigur, kein herkömmliches Identifikationsobjekt ist. Katharina Marie Schubert als Dörte ist eine nicht minder gelungene Wahl; ihre Protagonistin changiert stimmig zwischen patent und verloren, Komik und Melancholie. Dazu gesellen sich durchweg tolle KollegInnen wie Olli Dittrich als Nebenbuhler, Gabriela Maria Schmeide als Pranges Schwester, der junge Samy Ghariani als Nachbarsjunge Malik und Boci Kocevski als Kumpel Micki.
“Prange” ist eine Romanverfilmung: Andreas Altenburg hat das Drehbuch zu seinem eigenen “Spiegel”-Bestseller verfasst, Lars Jessen das Ganze atmosphärisch in Szene gesetzt. Es ist ein Weihnachtsfilm der etwas anderen, der norddeutschen Art: Zwar mit bekannter Botschaft – Liebe, Freundschaft, Familie, Zusammenhalten -, aber ganz und gar nicht süßlich, sondern sehr trocken-humorig verpackt. Ein guter Ansatz, der allerdings nicht unbedingt eine überzeugende Erzählung bietet: “Prange” lässt es ein wenig an (Figuren-)Entwicklung mangeln, tritt gelegentlich ein bisschen auf der Stelle. Auch wenn der Film optisch-inszenatorisch und schauspielerisch wie aus einem Guss daherkommt, erinnert er inhaltlich teils eher an eine Nummernrevue denn an eine runde Story.
Trotzdem oder gerade deswegen fördert diese Komödie herrliche Vignetten, Szenen von großer Komik und auch Tiefe zutage. Etwa wenn Prange und Dörte plötzlich in waschechtem Therapeuten-Sprech ein sehr wahrhaftiges Gespräch führen. Oder die beiden sich hassliebenden Nachbarn Prange und Rohde als Nikolaus und Knecht Rupprecht kostümiert von der Polizei drangsaliert werden. Sequenzen wie diese wie die gesamte hochklassige Machart trösten letztlich über den in Sachen Buch nicht so ganz stimmigen Eindruck hinweg.