Im Heckwasser der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt nimmt die bayerische Landeskirche verstärkt auch geistlichen Missbrauch ins Visier. Dieser sei „eine Form der emotionalen oder psychischen Gewalt, bei der das Recht auf spirituelle Selbstbestimmung verletzt wird“, heißt es im Zwischenbericht der zuständigen Arbeitsgruppe, der am Montag vor der Landessynode in Amberg vorgestellt wurde. Spätestens bei der Herbsttagung 2027 soll, so die Empfehlung, ein Präventionsleitfaden zur Vermeidung von Missbrauch in der geistlichen Begleitung Einzelner und in ordensähnlichen evangelischen Gemeinschaften vorliegen.
Geistlicher Missbrauch ginge oft mit religiös begründeter Manipulation einher, führten Kirchenrätin Andrea Heußner und Martina Frohmader, Leiterin der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt, aus. Jede Person habe aber das Recht auf spirituelle Selbstbestimmung: „Sie kann frei entscheiden, wie sie glaubt, wie sie betet, wie sie ihr Glaubensleben gestaltet, welche Orte dafür hilfreich sind.“ Werde diese Freiheit abgesprochen, handle es sich um geistlichen Missbrauch.
Weil sich eindeutige Kriterien dafür kaum formulieren ließen, nutze man das Bild von „Red Flags“, also Warnzeichen, die auf einen möglichen Missbrauch hinweisen könnten. Dazu gehöre, wenn geistliche Begleiter – sowohl Haupt- als auch Ehrenamtliche – ihre Schutzbefohlenen beispielsweise mit negativen Gottesbildern unter Druck setzten, deren Privatleben unangemessen beeinflussten oder jede Kritik am Glauben systematisch abblockten.
Geistlicher Missbrauch könne das Vertrauen von Menschen in die Kirche und in Gott erschüttern, deshalb sei das Thema „eine hochrelevante Herausforderung“ für die Landeskirche. Als Maßstab für kirchliches Handeln müsse „Lebensdienlichkeit“ gelten: „Lebensdienlich ist, was Beziehungen heilt, in Freiheit und Weite führt, ermutigt, inneren Frieden stärkt und Gemeinschaft ermöglicht – und nicht was eng macht, Angst oder Druck erzeugt“, heißt es in dem Bericht. (3701/24.11.2025)