Weise Worte und hoffnungsvolle Sätze finden ihren Weg zu den Herzen der Menschen. Und da ist es am Ende egal, wer die Weisheit zuerst ausgesprochen hat. So ist es wohl auch mit dem Satz: „Und wenn morgen die Welt unterginge, so wollen wir heute unser Apfelbäumchen pflanzen“. Er wird mit großer Hartnäckigkeit Martin Luther zugedichtet. Doch es handelt sich um einen Irrtum. Weder in Ernst Krokers Sammlung (1903) von 7000 Tischreden Luthers noch in der Gesamtausgabe der Schriften Luthers (1883) findet sich der Spruch.
Nachweisbar ist der Ausspruch am Ende eines Rundbriefs, den Pfarrer Karl Lotz aus Hessen 1944 an seine Freunde aus der „Bekennenden Kirche“ schrieb. Er wollte ihnen in gefährlichen Zeiten Mut machen und ist der festen Überzeugung, mit dem Satz Luther zu zitieren.
Hat Lotz Luther gar mit Johann Albrecht Bengel (1687-1752) verwechselt, der von einer starken Endzeithoffnung beseelt war? Seine Gesinnungsgenossen interpretierten die napoleonischen Kriege, eine Serie von Missernten in Süddeutschland als Zeichen des nahen Endes. Viele wandern aus, nach Russland etwa. Auf ihre Hoffnung hin befragt, sollen die „Endzeitchristen“ geantwortet haben: „Und wenn wir wüssten, dass morgen die Welt unterginge …“.
In Luthers Mund gelegt wurden die Worte dann 1950 von dem Dichter Gottfried Benn. Er sinnierte über das Bäumchen und wolle „den Untergang getrost erwarten“ weil der Allmächtige noch Trümpfe in seinem Skatspiel halte.
Vollends dem Refomator zugeordnet wurde die Weisheit durch den Physiker und medienbekannten Journalisten Hoimar von Ditfurth. Einer seiner Bestseller trug den Titel „So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen. Es ist soweit.“ (1985).
Doch, wie gesagt, auf die Wirkung der Worte kommt es an. Und wenn Menschen gerade angesichts katastrophaler Lebensumstände und weltbedrohlicher Ereignisse daraus Mut für den nächsten Tag schöpfen, ist es doch gut. Wären die prägnanten Worte nicht Luther zugeschrieben worden, wer weiß, ob sie solch eine enorme Verbreitung erreicht und so viel Trost gespendet hätten.