Artikel teilen:

Antisemitismusbeauftragter: “Kampfformel für die Auslöschung Israels”

Nicht erst seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel im vergangenen Oktober ist sie als Schlachtruf der Pro-Palästina-Bewegung bekannt – seither ist die Parole „From the river to the sea, palestine will be free!“ auf propalästinensischen Demonstrationen allerdings wieder omnipräsent. Bundesweit befassen sich verschiedene Gerichte mit der Frage, ob die Parole für eine Versammlung generell verboten werden kann. Und sie kommen dabei zu unterschiedlichen Auffassungen. Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hat nun im Eilverfahren eine Verbotsauflage der Landeshauptstadt München für eine Demo am 1. Juli kassiert.

Das vorauseilende Verbot von bestimmten propalästinensischen Parolen für eine Demo ist nach Einschätzung der obersten bayerischen Verwaltungsrichter nicht zulässig (Az: 10 CS 24.1062). Im konkreten Fall geht es um eine für nächsten Montag auf dem Münchner Goetheplatz angemeldete Versammlung. Die Landeshauptstadt München hatte als Ordnungsbehörde mehrere Auflagen für die Pro-Palästina-Demo erlassen – darunter auch das Verbot der Parole, weil mit der Verwendung der „Anfangsverdacht für eine Straftat“ vorliege. Die Richter des Verwaltungsgerichts München waren im Eilverfahren der Argumentation der Stadt zunächst gefolgt.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sah dies aber anders. Die Gefahrenprognose der Landeshauptstadt rechtfertige keine solche Beschränkung – das grundgesetzlich geschützte Recht der Versammlungsfreiheit wiege nämlich schwerer. Ob die Verwendung der Parole strafbar sei, das hänge „von den Umständen des Einzelfalls“ ab, etwa wenn ein Bezug zur Terrororganisation Hamas hergestellt werde. Ganz ähnlich hatte Ende März auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) geurteilt. Eine Verbotsauflage der Stadt Frankfurt am Main an die Anmelder einer Demo gegen den Gaza-Krieg sei „offensichtlich rechtswidrig“ (Az: 8 B 560/24).

Ganz anders bewerteten etwa die Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim die Sachlage. Das oberste Verwaltungsgericht im Südwesten kassierte Anfang April 2024 eine Entscheidung des Freiburger Verwaltungsgerichts (Az: 2 S 496/24) und gab damit der Stadtverwaltung recht. Diese hatte eine Demo, deren Motto die umstrittene Parole war, mit der Begründung verboten, der Slogan sei ein Kennzeichen der Hamas. Die Parole gilt als zentraler Schlachtruf der Palästina-Bewegung. Kritiker verstehen ihn als Aufruf zur Auslöschung Israels und einer Ausdehnung Palästinas vom Mittelmeer zum Grenzfluss Jordan.

Der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag auf Anfrage, die Entscheidung der obersten Verwaltungsrichter sei freilich zu respektieren. Aber er müsse „auf die ausgesprochen schwierige Situation der Jüdinnen und Juden in Bayern und in Deutschland“ nach dem Terroranschlag der Hamas hinweisen, sagte er. Er befürchte eine weitere Eskalation. Der Staat habe Juden zu schützen, die durch das aggressive Auftreten mancher Teilnehmer bei Pro-Palästina-Demos Angst hätten. Die Parole sei eine „Kampfformel“ für die Auslöschung Israels: „Das dürfen wir nicht übersehen.“

Die obersten bayerischen Verwaltungsrichter hingegen argumentierten, die Untersagung der Parole durch die Ordnungsbehörde beruhe „bereits aufgrund der eigenen Ausführungen der Landeshauptstadt im Bescheid nur auf Vermutungen“. Daher sei das Verbot der Parole nicht haltbar. Die Richter wiesen allerdings darauf hin, dass mit der Entscheidung im Eilverfahren „keine Legalisierungswirkung“ für die Parole verbunden sei. Polizei und Staatsanwaltschaft könnten „im Einzelfall strafrechtlich relevantes Verhalten“ weiterhin verfolgen. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs gibt es keine Rechtsmittel. (00/1973/27.06.2024)