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Anne-of-Green-Gables-Autorin Montgomery vor 150 Jahren geboren

“Anne of Green Gables” ist bis heute das meistgelesene Buch Kanadas. Wer lieber guckt als liest, kann bei Netflix stattdessen die erfolgreiche Serie “Anne with an E” schauen.

Auch Astrid Lindgren hat den Kinderbuchklassiker “Anne of Green Gables” geliebt: “O du Unvergessliche”, schreibt die Autorin in ihren Erinnerungen etwa über das rothaarige Waisenmädchen mit der blühenden Phantasie. Und weiter heißt es: “Wie ich mit diesem Mädchen gelebt habe!”

1908 erschien der Roman von Lucy Maud Montgomery in Kanada. 1909 wurde er zum ersten Mal übersetzt – und zwar ins Schwedische. Astrid Lindgren hat ihn als Heranwachsende gelesen und nachgespielt – einen ganzen Sommer lang, wie sie schreibt. Vielleicht hat Anne sie sogar ein Stück weit zu Pippi Langstrumpf inspiriert: Beide Mädchen sind fantasievolle Außenseiterinnen in einer bürgerlichen Welt.

Vor 150 Jahren, am 30. November 1874, wurde “Anne-of-Green-Gables”-Autorin Montgomery auf Prince Edward Island in Kanada geboren. Ihr Buch gilt als das meistgelesene Buch des nordamerikanischen Landes: Das kleine Waisenmädchen Anne kommt mit elf Jahren zu einem ältlichen Geschwisterehepaar und inspiriert sie in unkonventionellen Abenteuern zu mehr Lebensfreude. Später wächst sie zu einem intelligenten und selbstständigen Mädchen heran, das studiert und ihren Lebensunterhalt als Lehrerin alleine bestreiten kann.

“Anne of Green Gables” – und mit ihr Lucy Maud Montgomery – war ihrer Zeit voraus: Unangepasstheit, Frauenstudium, finanzielle Selbstständigkeit: Das gehört zu Annes Leben und das gehörte auch zum Leben Montgomerys in einer Zeit und in einer Gegend, in der dies ein absolutes Novum war.

Montgomery wuchs bei ihren Großeltern auf; ihre Mutter starb, als sie ein Kleinkind war, der Vater kümmerte sich nicht um sie. Das intelligente Mädchen, das schnell Klassenbeste war, studierte und bestand den Eingangstest als fünftbeste von mehr als 200 Schülern. Sie absolvierte ihr Studium in einem statt in zwei Jahren, wurde Jahrgangsbeste in Englisch und fing an, Geschichten und Gedichte zu veröffentlichen – biographische Einzelheiten, die sich auch im Anne-Buch wiederfinden.

Seit seinem Erscheinen gibt es zahlreiche Verfilmungen, etwa die kanadische Serie von 1985, die hierzulande erfolgreich im ZDF lief. Die neueste Verfilmung in drei Staffeln – “Anne with an E” – wurde 2017 bei Netflix ins Programm genommen. Auch die Anne-Romane – das Buch gibt es in mehreren Bänden – wurden aktuell neu für Kinder von heute aufgelegt: Etwa als Comic oder als Vorlesebuch mit wunderschönen Illustrationen.

“Anne of Green Gables” beschert der kleinen Insel Prince Edward Island einen Zustrom aus aller Welt. Eine Million Besucher kommen jedes Jahr – man spricht daher vom “Anne-Tourismus”. Besonders japanische Touristen lieben den dort entstandenen Besucherpark: Als die Behörden nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Fall der Atombombe nach aufmunternder Literatur für das traumatisierte Volk suchten, wurde “Akage No Anne” (Anne mit den roten Haaren) 1952 auf den Lehrplan sämtlicher japanischer Schulen gesetzt.

Einmal auf den Spuren Annes wandeln – das ist bis heute für viele Japaner ein Traum. Manche heiraten dort sogar, in Cavendish, wo noch das grün gegiebelte Haus steht, das Montgomery zum Schreiben inspirierte und in dem die Schriftstellerin als Kind lebte.

Von der Literaturwissenschaft wurde Montgomery “lange aus demselben Grund ignoriert wie die britische Autorin Jane Austen: Sie schrieb ‘Frauenbücher’ über Frauen”, so Montgomery-Forscherin Irene Gammel. “Aber noch schlimmer, sie schrieb über Mädchen.”

Erfolgsautor Mark Twain signalisierte Montgomery indes direkt nach dem Erscheinen des Buches in einem Brief seine hohe Wertschätzung, in dem er “Anne” als “das liebste, berührendste und entzückendste Kind seit der unsterblichen Alice” (Alice im Wunderland, Anmerkung der Redaktion) preist.

“Ich kann nicht anders, als auf den Flügeln der Vorfreude aufzusteigen. Es ist so herrlich, wie durch einen Sonnenuntergang zu schweben. Das gleicht fast den Aufprall aus!” Ein Anne-Zitat wie dieses macht das Buch und seine Heldin so anziehend.