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Aktionswoche gegen Einsamkeit: Keine Frage des Alters

Die Bundesfamilienministerin will die Öffentlichkeit mit der Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“ stärker für das Thema Einsamkeit sensibilisieren. Nur: Wo bleibt der Blick auf junge Menschen?

Seit Corona fühlen sich junge Menschen zunehmend einsam
Seit Corona fühlen sich junge Menschen zunehmend einsamImago / HalfPoint Images

Ein hochbetagter Mann auf einer Parkbank. Er schaut traurig in die Ferne, stützt sich auf seinen Gehstock. Dieses Bild haben sicher einige im Kopf, wenn von einsamen Menschen die Rede ist. Das ist längst überholt. Laut „Einsamkeitsbarometer“ der Bundesregierung fühlen sich zunehmen junge Leute allein. Wie kann das sein und was ist zu tun?

Reicht eine Aktionswoche wie jetzt im Juni? Natürlich nicht. Aber es ist ein Anfang. Vor allem ein Anfang, um auf das Thema aufmerksam zu machen und zu zeigen: Niemand muss sich schämen, weil er oder sie einsam ist.

Bundesfamilienministerin Paus warnt vor „sozialem Long Covid“

Ein Blick auf den ersten „Einsamkeitsbarometer“, den Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) kürzlich vorstellte, zeigt: Im ersten Corona-Jahr 2020 schnellte die Einsamkeitsquote um 20 Prozentpunkte nach oben. Die Ministerin warnt vor einem „sozialem Long Covid“.

Dieser Effekt ist uns vielleicht vertrauter als wir meinen. Man erinnere sich an den ersten Tag im Büro nach monatelangem Homeoffice und auf Kacheln starren. Manche Kolleginnen und Kollegen kamen einem fremd vor, jedes kleinste Geräusch im Büro ließ einen zusammenschrecken. Alle mussten das Natürlichste auf der Welt wieder lernen: In Gesellschaft zu sein. Nur kann das eben schnell überfordern. Gerade junge Menschen, die in ihrem Charakter noch nicht so gefestigt sind und sich vielleicht in Computerspiele und virtuelle Welten geflüchtet haben.

Die Konsequenzen daraus sind dramatisch: Die Weltgesundheitsorganisation vergleicht die gesundheitlichen Folgen von Einsamkeit mit denen des Rauchens, der Fettleibigkeit oder von Luftverschmutzung.

Telefonseelsorge hört einsamen Menschen zu

Im Kampf gegen Einsamkeit gibt es gute Beispiele: Den Einsamkeitsbeauftragten Sylvio Böhm, der in Erfurt ältere Menschen besucht. Das Bezirksamt Berlin-Reinickendorf schafft als bundesweit erste Kommune eine Vollzeitstelle für einen Einsamkeitsbeauftragten. Auf der Internetseite „Kompetenznetz Einsamkeit“ finden Userinnen und User einen Überblick über verschiedene Angebote.

Und auch die Kirche wendet sich einsamen Menschen zu. Sie bietet Gottesdienste für ältere Menschen und Singles. An Weihnachten sind Gemeinden bemüht, dass niemand allein zu Hause sitzen muss. Auch die Telefonseelsorge hat rund um die Uhr ein offenes Ohr für Menschen, die niemanden zum Reden haben.

TikTok und Co.: Die jungen Menschen im Blick haben

Aber hat man bei all den löblichen Angeboten tatsächlich auch die Jüngeren im Blick? Müsste man die nicht primär und zumindest in einem ersten Schritt über Social Media erreichen? Denn nicht jeder und jede traut sich rauszugehen, unter fremde Leute, um die Angebote wahrzunehmen. Eine lobenswerte Ausnahme ist hier „krisenchat.de“, die auf ihrem Instagram-Auftritt bewusst eine junge Zielgruppe ansprechen.

 

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Was es braucht, sind also Kampagnen auf TikTok, Instagram und Co. Niedrigschwellig, kreativ umgesetzt. Foren und Chats, in denen sich Jugendliche und junge Erwachsene austauschen können.

Einsamkeit kann uns alle jederzeit treffen

Natürlich gilt es auch offline, einen wachsamen Blick zu haben. Wen sehe ich immer allein beim Einkaufen? Wer kommt ohne Anhang zum Gottesdienst? Vielleicht tut er oder sie das gerne. Vielleicht freut sich die Person aber auch über ein Gespräch oder die Einladung zu einem Spaziergang. Einsamkeit geht uns alle an. Sie kann uns jederzeit selbst treffen – egal wie alt wir sind.

Hinweis: Die Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“ findet bundesweit vom 17. bis 23. Juni 2024 statt