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Abschied von Rom

Der evangelische Pfarrer verlässt seine Gemeinde am Tiber, um an die Elbe zurückzugehen. Auch dort will er sich für die Ökumene einsetzen. Erkenntnisse aus seiner Zeit in Rom werden ihm nützen

Agenzia Romano Siciliani

Seinen letzten öffentlichen Auftritt in Rom mit Papst Franziskus hatte sich Jens-Martin Kruse, scheidender Pastor der deutschen evangelischen Gemeinde in Rom, möglichst unspektakulär gewünscht. Doch stattdessen feierte der Protestant mit Papst Franziskus eine Vesper in Roms pompöser Basilika „St. Paul vor den Mauern“. Anlass war die Gebetswoche für die Einheit der Christen. Kruse war eingeladen als einer von vielen Vertretern nichtkatholischer Kirchen.

Das Geheimnis guter Ökumene: Freundschaft

In diesen Tagen packt der 48-jährige Familienvater seine Koffer. Es geht von der Diaspora-Kirche am Tiber mit ihren goldenen Mosaiken zurück an die Elbe, in die Nähe einer der wichtigsten Einkaufsmeilen der Hansestadt.
Wie allen Deutschen, die gute Kontakte in den Vatikan haben und nach längerem Aufenthalt in Rom in ihre Heimat zurückkehren, dürfte auch Kruse zunächst allzu große Nähe zur katholischen Kirche unterstellt werden. „Das sehe ich ganz entspannt als Kompliment“, sagt der Vater dreier Kinder. Seine Ökumene-Kontakte werde er auch von Hamburg aus weiter pflegen, kündigt er an. „Ein Geheimnis der römischen Ökumene ist gute Freundschaft“, sagt er im Rückblick auf die Besuche von Papst Benedikt XVI. und dessen Nachfolger Franziskus in seiner römischen Gemeinde.
In Rom ging Kruse nach dem sonntäglichen Gottesdienst mit seiner Familie am liebsten im Stadtpark Villa Borghese oberhalb der Spanischen Treppe spazieren. Den Blick auf die Kuppel des Petersdoms genoss er gern aus dem Café der am Rand des Parks gelegenen französischen Akademie.
Zurücklassen muss er auch die Hilfsprojekte seiner Gemeinde in Rom. Wenn sie sich um Flüchtlingsfrauen kümmert, besuchen andere Menschen als sonst das luxuriöse Diplomatenviertel an der Via Veneto. Im Gemeindehaus in einer Querstraße der Luxusmeile erhalten junge Afrikanerinnen einmal im Monat Windeln, Medikamente, Kleidung und Spielzeug. Doch ebenso wie das alle zwei Wochen veranstaltete Obdachlosen-Frühstück wird die Verteilung von Hilfsgütern an die Afrikanerinnen auch nach seinem Umzug nach Hamburg weitergehen.
Aus Rom nimmt Kruse nicht nur römische Lebenskultur mit an die Elbe, sondern auch den Wunsch, die Ökumene weiter zu fördern. Bei den Feiern zum 500. Reformationsjubiläum habe sich gezeigt, „dass viel mehr geht, als man annimmt“. Eines der lebendigsten Beispiele dafür, was jenseits der theologischen Diskurse möglich ist, stammt von Papst Franziskus. Bei seinem Besuch in der Christuskirche überreichte er Kruse einen Abendmahlskelch. Die Entscheidung über ein gemeinsames Abendmahl für gemischt-konfessionelle Ehepartner legte er in deren eigenes Ermessen.
Aus seiner Promotionsschrift über die Anfänge der Reformation weiß Kruse um die theologischen Schwierigkeiten bei der Annäherung zwischen Protestanten und Katholiken. Wegen seiner Bemühungen um die Ökumene zwischen Katholiken und Lutheranern in Rom wurde Kruse 2016 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Der Pfarrerssohn übernimmt nun die Stelle des Hauptpastors von St. Petri, die sein Vater bis 2002 innehatte.