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„Ab Dienstag übernehmen wir“

500 Frühstücksportionen herrichten, Schichten einteilen, Aufsicht führen: Seit zehn Jahren betreut Lisa Sossinka ein Quartier für Kirchentagshelferinnen und -helfer.

Bei Sossinkas ist der Kirchentag eine Familienangelegenheit: Lisa Sossinka und ihr Mann Eero sind seit 22 Jahren als Pfadfinder dabei; Tochter Kira und Sohn Nick erlebten schon als Babys ihre ersten Kirchentage. 2009, in Dresden, übernahm Lisa dann das erste Mal die Leitung eines Helferquartiers. Seitdem steht fest: Wenn Kirchentag ist, verlagert die Familie ihren Wohnsitz für sechs Tage komplett in eine Schule – diesmal in die Wilhelm-Röntgen-Realschule in Dortmund, nicht weit von den Westfalenhallen. Mit dabei außerdem: ein Teil von Lisas Pfadfinderstamm, die Christliche Pfadfinderschaft Ravensberg aus Bielefeld, die als Helfer über den ganzen Kirchentag verteilt sind.

Lisa ist Quartiermeisterin – so heißt die Leitung eines Helferquartiers in der Sprache des Kirchentags. Ihre Aufgabe: ein Team zu leiten, das für die Übernachtung und Betreuung von rund 500 ehrenamtlichen Kirchentags-Helferinnen und Helfern verantwortlich ist. Rund um die Uhr sind die 24 Teammitglieder dafür zuständig, dass alle ihren Schlafplatz und die Duschen finden, in die Regeln eingewiesen werden (kein Alkohol, keine Zigaretten auf dem Gelände!) und ein Frühstück sowie ausreichend Proviant bekommen.

Schon im März lernte Lisa die Schule kennen und wurde in ihre Aufgaben eingewiesen. Am Kirchentags-Dienstag nach Schulschluss geht es dann richtig los. „Dann übernehmen wir das Hausrecht“, erklärt Lisa. Sie und ihr Team inspizieren die Schule, schildern die Wege zu den Wasch- und Essensräumen aus und teilen die Schlafräume ein. Ein Kriterium dabei: Geschlechtertrennung. „Wir haben zum Beispiel einen muslimischen Pfadfinderstamm, für die das ganz wichtig ist“, erklärt Lisa. Während der gesamten Dauer des Kirchentags sind Teammitglieder zur Stelle, um den Weg zur nächsten U-Bahn zu zeigen, Fragen zum Programm zu beantworten oder bei Problemen für Lösungen zu sorgen. Lisas Handy steht 24 Stunden am Tag auf laut, auch wenn sie schläft – im Notfall muss sie immer erreichbar sein.

Einkaufen muss das Team nicht, das übernehmen Mitarbeitende des Kirchentags – „alles bio und aus der Region“, betont die 43-Jährige. Aber sie führt die Bestandslisten über Nahrungsmittel und Getränke. Auch für die Einhaltung der Hygienevorschriften ist sie verantwortlich; dafür gibt es extra eine Einweisung.
Und dann muss das Essen ja noch an den Mann und die Frau kommen. Also legt die Frühstücks-Schicht ab morgens um 5 Uhr Käse und Wurst auf Platten und stellt Müsli, Obst und Getränke aufs Büffet. Das ist hart, wenn man bis spät in die Nacht zum Singen und Quatschen zusammengesessen hat. „Schlaf ist definitiv Mangelware in dieser Zeit“, weiß Lisa. „Aber ich achte darauf, dass es gerecht zugeht und alle auch die Möglichkeit haben, an Veranstaltungen des Kirchentags teilzunehmen.“ Sie kennt ihr Team seit Jahren und weiß um die besonderen Wünsche bei der Einteilung der Sechs-Stunden-Schichten. „Ich habe da zum Beispiel zwei Männer, die immer die Nachtschicht übernehmen wollen. Das dürfen die natürlich“, lacht sie.

Schlimme Zwischenfälle gab es nicht in den zehn Jahren, in denen Lisa den Job der Quartiermeisterin jetzt macht. Lustig findet sie allerdings, dass regelmäßig freitagsmorgens um 8 Uhr der eine oder andere Schüler auftaucht, der vergessen hat, dass schulfrei ist. Einmal stand sogar ein Lehrer vor der Tür – „der hat ganz empört gefragt, was wir denn da machen“, erzählt sie amüsiert.

Sonntagsmorgens, wenn die meisten Kirchentagsteilnehmer zum Abschlussgottesdienst strömen, ist noch einmal Großeinsatz für die Quartierhelferinnen und -helfer: Aus- und Aufräumen steht dann auf dem Plan, denn mittags muss die Schule wieder übergeben werden. Danach verstreut sich Lisas Team in alle Winde – bis zum nächsten Mal in zwei Jahren.