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800 Jahre Kirche Brandshagen – ein Grund zum Feiern

Eine Kirche, viele Geschichten: Die Kirche im vorpommerschen Brandshagen wird 800. Was sich rund um sie abspielte, hat ein Ehrenamtlicher in einer Chronik zusammengestellt. Am 31. Mai wird gefeiert.

Thront auf einem Hügel: die Marienkirche Brandshagen
Thront auf einem Hügel: die Marienkirche BrandshagenMatthias Wennrich

Als gläubig versteht sich Matthias Wennrich nicht, zum Sonntagsgottesdienst in der Kirche Brandshagen geht er nie. Und doch: Die Geschichte dieser Kirche und ihrer Gemeinde, im idyllischen 977-Einwohner-Ort zwischen Stralsund und Greifswald gelegen, kennt er so gut wie kaum ein anderer in der Region.
Am 31. Mai feiern die Brandshagener 800 Jahre Dorfkirche – mit Gottesdienst auf dem Sportplatz, Festumzug, Tanz und mehr. Und Wennrich, der seit drei Jahren ehrenamtlich das Archiv der Gemeinde aufbereitet, hat eine Dorfchronik herausgebracht: 500 Seiten dick, basierend vor allem auf den „Memorabilien“ – den Erinnerungen von neun der elf Pastoren, die zwischen 1786 und 1924 hier lebten.

“Sie gehört zu den größten und schönsten Kirchen Vorpommerns”

Einer Notiz am Gestühl zufolge wurde sehr wahrscheinlich 1225 in Brandshagen eine Holzkirche geweiht, erzählt Wennrich. Um 1249 soll der Altarraum dann massiv gebaut worden sein, 20 Jahre später der dreischiffige Kirchenraum.
Für den Stralsunder Kunsthistoriker Detlev Witt gehört die Hallenkirche in Brandshagen heute zu den „größten und schönsten Kirchen Vorpommerns.“ Nicht nur das Äußere, auch das Innere lasse „das Herz jedes Kunstbegeisterten höher schlagen“, schreibt er auf der Internetseite der Gemeinde. Das Jubiläum eben dieser Kirche zu feiern, mit Unterstützung der Feuerwehr, die 2024 ihr 100-Jähriges hatte, und der Kommune, die ebenfalls letztes Jahr ihr 775-Jähriges beging, findet Gemeinde-Pastorin Viviane Schulz „kolossal wichtig“. „Wir leben in einer Zeit, in der es so viel Streit, so viele Zerwürfnisse gibt“, sagt sie. „Da ist so ein Fest etwas, das Verbindung stiftet und Gemeinschaft stärkt.“

Fast wäre die Kirche in der Franzosenzeit zum Pferdestall geworden

Als Matthias Wennrich sich in die Geschichte vertiefte, stieß er allerdings auch auf die kleinen und großen Dramen, die sich rund um die Kirche abspielten. Etwa in der Franzosenzeit ab 1608, als Stralsund belagert wurde: Offiziere wohnten im Pfarrhaus, die Kirche wurde bis auf den Altarraum zur Lagerhalle für Heu und Korn, teilweise sollte sie sogar zum Pferdestall werden, wie Wennrich in den Memorabilien von Pastor Carl Herman Kellman entdeckte. „Das Lagern von Getreide fand Kellman noch in Ordnung, aber über die Pferde hat er sich furchtbar aufgeregt und das auch verhindert“, erzählt er schmunzelnd.

Ein Ausschnitt aus einem Memorabilienbuch
Ein Ausschnitt aus einem MemorabilienbuchMatthias Wennrich

Von Unwettern wie der Ostseesturmflut 1872 hat Wennrich auch gelesen, von Bränden im Ort, von der Anschaffung der neuen Kirchturmuhr 1861, vom Einbau der Orgel 1846… – wie sehr sich der Alltag im Ort allein in den letzten 200 Jahren gewandelt hat, „ist enorm“, findet er. An Relevanz hat die Kirche aus seiner Sicht verloren, ganz konkret und massiv. „Früher lief fast alles über die Kirche, auch die Schulbildung“, sagt er. „Das Leben war ganz anders organisiert.“
Die Bezugsgrößen haben sich auch verändert: Ein Dorf, ein Pastor, eine Gemeinde, das war einmal. Heute ist Brandshagen Teil eines großen Pfarrsprengels: der Kirche am Sund mit ihren fünf Gemeinden, 38 Dörfern, elf Kirchen und Kapellen, zwei Pastoren – wenn keine Stelle vakant ist. Statt wie Kellman die Hauptrolle im Dorf zu spielen, ist Pastorin Viviane Schulz in einem viel größeren Gebiet oft hinter den Kulissen tätig: organisierend, impulsgebend, vernetzt mit Haupt- und Ehrenamtlichen des gesamten Pfarrsprengels. Etwa zwei Mal im Monat hält sie einen Gottesdienst in Brandshagen, an den anderen Sonntagen woanders.

Engagierte Ehrenamtliche sorgen dafür, dass im Ort was los ist

Wie das kirchliche Leben lokal in Brandshagen dann funktioniert? „Mit engagierten Ehrenamtlichen“, sagt Viviane Schulz. Menschen wie Matthias Wennrich eben. Oder Nora Nübel, die die beliebten „Ofengespräche über Gott und die Welt“ im Pfarrhaus organisiert. Oder Elke Lück, einer 63-Jährigen Landwirtin, die als Kirchenälteste die Fäden für die Friedhofspflege in der Hand hält und gerade das Dorffest zum Kirchenjubiläum mit vorbereitet. „Mir ist wichtig, dass im Ort etwas los ist für die Leute“, sagt sie. „Und dass es eine gute Gemeinschaft gibt.“ Die Kirche soll dazu beitragen – mit dem Fest und auch sonst im Alltag.

Der Festgottesdienst am 31. Mai beginnt um 11.30 Uhr auf dem Sportplatz. Was in der Kirchengemeinde Brandshagen sonst so los ist, kann man entdecken auf www.kirchen-am-sund.de