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75 Jahre UN-Flüchtlingshilfswerk: Keine Feierlaune beim Jubilar

Das UN-Flüchtlingshilfswerk wird 75 Jahre – doch angesichts wachsender Zahlen Geflüchteter und sinkender Mittel herrscht bei Helfern eher Alarmstimmung als Jubiläumsfreude.

Tausende Stellen gestrichen, Hilfen gekürzt: Das UNHCR steht vor einer historischen Finanzkrise
Tausende Stellen gestrichen, Hilfen gekürzt: Das UNHCR steht vor einer historischen FinanzkriseImago / GFC Collection

Beim Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen in Genf herrscht keine Feierlaune. Das UNHCR wurde vor 75 Jahren am 14. Dezember 1950 von der UN-Vollversammlung gegründet, doch das Jubiläum fällt in eine bedrückende Zeit. Die Helfer müssen mit schrumpfenden finanziellen Mitteln einer fast stetig wachsenden Zahl Bedürftiger beistehen.

Von 2006 bis 2025 erhöhte sich die Zahl der Menschen auf der Flucht vor Gewalt und Unterdrückung nahezu jedes Jahr. Derzeit sind es 117 Millionen Kinder, Frauen und Männer, von denen jedoch nicht alle unter das UNHCR-Mandat fallen. Zudem muss das UN-Hilfswerk das internationale Schutzsystem für Vertriebene und die Flüchtlingskonvention von 1951 gegen immer stärkere Angriffe verteidigen. Filippo Grandi, Hochkommissar für Flüchtlinge und UNHCR-Chef, warnt: Das Hilfswerk durchschreite eine „unglaublich schlimme“ Phase.

UN-Flüchtlingshilfswerk: Grandi kündigt Abschied als Chef an

Das Ende dieser Phase wird der Italiener Grandi nicht mehr als UNHCR-Chef erleben, er tritt Ende des Jahres ab. António Guterres, der UN-Generalsekretär, wird nach Absprache mit den mächtigsten Mitgliedsländern den oder die Nachfolgerin bestimmen. Der Portugiese Guterres war einst selbst Hochkommissar (2005 bis 2015) und muss nun aus mehreren Kandidaten auswählen: Unter ihnen sind der deutsche Entwicklungsstaatssekretär Niels Annen (SPD), die frühere Außenministerin Spaniens, Arancha González, und der schwedische Topmanager Jesper Brodin von der Ingka Group (Ikea).

Seit Gründung standen dem UNHCR mehrheitlich europäische Männer vor. Nur eine Frau schaffte es an die Spitze: Die Japanerin Sadako Ogata diente von 1991 bis 2000 als Hochkommissarin. Kritik kommt von Mustafa Alio, Co-Direktor der Initiative R-Seat, die sich für mehr Mitsprache von Menschen mit Fluchterfahrung einsetzt. „Das Muster, männliche Europäer zu ernennen, hat eindeutig weder mit den heutigen Realitäten der Vertreibung noch mit der Vielfalt der Menschen Schritt gehalten, denen das UNHCR dienen soll“, sagt Alio. „Es wäre sicherlich ein positives Signal, wenn sich dieses Muster ändern würde, auch in Bezug auf Geschlecht, Region und Lebenserfahrung.“

UN-Flüchtlingshilfswerk: Annen als Favorit für die Spitzenposition

Zu den Favoriten für die oberste UNHCR-Position zählt Entwicklungsstaatssekretär Annen, auch weil Deutschland traditionell große Summen an das Hilfswerk überwiesen hat. Der Mann aus Berlin ist sich bewusst, was auf ihn in einer fünfjährigen Amtszeit zukommen könnte: „Die Leitung des UNHCR in Krisenzeiten wird eine enorme Herausforderung sein“, erklärte Annen im Oktober.

Flüchtlingslager Idomeni in Griechenland an der Grenze zu Mazedonien (2014)
Flüchtlingslager Idomeni in Griechenland an der Grenze zu Mazedonien (2014)epd-bild / Thomas Lohnes

Die unguten Gefühle einiger Bewerber dürften sich nach der letzten Rede des abtretenden Hochkommissars Grandi im UNHCR-Exekutivkomitee verstärkt haben. Grandi beklagte die prekäre Finanzlage des UNHCR. Die USA unter Präsident Donald Trump und andere Länder streichen die Überweisungen zusammen: „Nach derzeitigem Stand gehen wir davon aus, dass wir das Jahr 2025 mit verfügbaren Mitteln in Höhe von 3,9 Milliarden US-Dollar abschließen werden, ein Rückgang von 1,3 Milliarden US-Dollar gegenüber 2024 – oder rund 25 Prozent weniger.“

UN-Flüchtlingshilfswerk meldet drastischen Finanzengpass 2025

Letztmals verfügte das UNHCR im Jahr 2015 über eine Summe von knapp vier Milliarden US-Dollar. Damals jedoch befanden sich wesentlich weniger Menschen auf der Flucht als heute. Der Finanzengpass zwang Grandi bereits, fast 5.000 der 18.000 UNHCR-Mitarbeiter zu kündigen. Unter den Entlassenen befinden sich sowohl Angestellte der Zentrale in Genf als auch Helfer in den Konfliktgebieten rund um den Globus. Am schlimmsten trifft das Minus aber die Millionen geflüchteten Kinder, Frauen und Männer. Sie erhalten weniger oder gar keine Unterstützung mehr.

Ein Beispiel für die verheerenden Folgen ist der Südsudan. Das UNHCR musste in dem afrikanischen Land aufgrund von Geldmangel drei Viertel der Schutzeinrichtungen für Frauen und Mädchen schließen. Bis zu 80.000 Opfer von Vergewaltigung und Konflikt müssen deshalb ohne medizinische Versorgung, Rechtsbeistand und wirtschaftliche Unterstützung auskommen. „Sie sind jetzt noch stärker von Missbrauch und Armut bedroht und gezwungen, in ihre gefährliche Heimat zurückzukehren“, erklärt UNHCR-Direktorin Elizabeth Tan.