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«Du bist richtig, so wie du bist»

Von Löchern im Käse und in den Socken: Seit 50 Jahren begeistert die «Sendung mit der Maus» große und kleine Kinder. Am 7. März wird Geburtstag gefeiert.

Köln (epd). «Frag doch mal die Maus»: Das ist nicht nur der Titel einer erfolgreichen Wissens-Show im Ersten, sondern auch eine beliebte Elternantwort, wenn der Nachwuchs typische Kinderfragen stellt. Wie kommen die Löcher in den Käse? Und in die Socken? Und wieso hat die Zahnpasta Streifen? Wie funktioniert eigentlich ein
Atomkraftwerk? Was machen Astronauten, wenn sie mal müssen? Wie kommt das Salz ins Meer? Antworten darauf gibt es seit 50 Jahren in der «Sendung mit der Maus», und am 7. März wird Geburtstag gefeiert.

   Tak, tak, tak machen die Füße, klick, klick die Augen, wenn die Maus mit den Lidern klimpert. Gibt es ein Problem, beginnt sie zu schnüffeln – und meist findet sie rasch eine Lösung: Die Maus hat einen festen Platz im Herzen der Zuschauerinnen und Zuschauer. Außer «Tagesschau» und «Tatort» gibt es nicht viele Sendeplätze im
deutschen Fernsehen, die auf eine ähnlich lange Tradition zurückblicken können.

   Die «Sendung mit der Maus» ist außerdem das letzte echte Familienfernsehen: Das Durchschnittsalter des Publikums liegt bei 40 Jahren. Denn Eltern und Großeltern sitzen mit den Kindern vor dem Fernseher, wenn das Maus-Team sie mitnimmt in den Wald und zeigt, wie ganz oben in den Baumkuppen gesägt werden kann, oder ins Labor, wo aus Weizen Händedesinfektionsmittel gemacht wird.

   Das Besondere an der «Sendung mit der Maus» ist die Mischung aus Lach- und Sachgeschichten, die durch die kurzen Zwischenspiele mit der Maus und dem kleinen blauen Elefanten miteinander verbunden werden: Liebenswerte Trickfilme mit Käpt'n Blaubär, Trudes Tier oder Rico und Oskar wechseln mit dokumentarischen Beiträgen, in denen mitunter höchst komplexe Vorgänge kindgerecht erklärt werden.

   Erfinder der «Sachgeschichten» ist Armin Maiwald, der auch im hohen Alter von 81 Jahren nach wie vor rund ein Dutzend Filme pro Jahr für die «Maus» produziert und maßgeblichen Anteil daran hatte, dass sich der WDR mit Dutzenden von Auszeichnungen schmücken darf. Kinderfernsehen ist für ihn eine Herzensangelegenheit. «Kinder haben in unserem Land keine Lobby», kritisiert er anlässlich des «Maus»-Jubiläums, «ihre Probleme kommen viel zu selten zur Sprache.»

   Aber was ist nun das Außergewöhnliche an der «Maus», dem Klassiker des Kinderfernsehens? Bernd Merz, Geschäftsführer des nichtkommerziellen protestantischen Filmverleihs Matthias Film, gibt gerne zu, dass er auch mit Mitte 60 noch ein großer «Maus»-Fan ist. Die Verantwortlichen hätten es immer verstanden, Fragen zu finden, die kleine und große Zuschauer gleichermaßen bewegten, weil sie auch die gesellschaftliche Entwicklung nie aus den Augen verloren hätten, sagt er: «Das ist etwas, was unserer Gesellschaft verloren gegangen ist: die Ausrichtung an den Problemen und am Wissensdurst der Menschen.»

   Margret Albers, Projektmanagerin beim Förderverein Deutscher Kinderfilm, schätzt an der «Sendung mit der Maus» nicht zuletzt «die bemerkenswerte Balance zwischen Kontinuität und Wandel». Ob in der Abendshow «Frag doch mal die Maus», dem 2007 gestarteten Ableger «Die Sendung mit dem Elefanten» für jüngere Kinder oder der Maus-App für Mobilgeräte: Kern des «Mausiversums» sei stets die Maxime, Alltagserfahrungen von Kindern erzählerisch aufzugreifen und hochwertig umzusetzen.

   Für Maya Götz, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (München), zeichnet sich die Sendung durch einen «besonderen Wesenskern» aus: «Die Sachgeschichten gehen einem Geheimnis des Alltags nach und schauen sich mit naiver Neugier etwas genau an, was die Zuschauenden so meist noch nie gesehen haben.» Das geschehe «mit Wohlwollen und Wertschätzung», ohne Belehrungen, aber stets im Einklang mit dem Publikum.

   Die oftmals unterschätzten Lachgeschichten wiederum erzählten «sehr wertschätzend das Wesentliche zwischenmenschlicher Erfahrung in fantasievollen Welten», und zwar in hoher handwerklicher Qualität und mit viel Liebe zum Detail. Die Filme blieben dabei «stets auf der Kinderseite, sie betonen und wertschätzen kreative und individuelle Wege und berühren emotional». Außerdem vermittelten sie eine Basis von Gemeinschaft: Die ungemein beliebte Reihe «Shaun das Schaf» zum
Beispiel würde ohne die Herde oder die anderen Hoftiere gar nicht funktionieren.

   Für mindestens genauso wichtig hält die Medienwissenschaftlerin die Abwesenheit von negativen Aspekten wie explizite Abwertung, Ausgrenzung oder Verurteilung. Die Botschaft laute: «Du bist richtig, so wie du bist.»

   Bei aller Wertschätzung für den Klassiker «Sendung mit der Maus» weist Merz, seit 17 Jahren Vorsitzender der Jury Kinderprogramme des Robert-Geisendörfer-Preises, allerdings auch darauf hin, dass beim Kinderfernsehen nicht alles rosig sei: «Ich habe die Befürchtung, dass das Kinderfernsehen in Zukunft gerade in finanzieller Hinsicht noch weniger den Stellenwert bekommt, der ihm zusteht.» Er meint: «Wer viel Geld für teure Sportrechte ausgibt, muss auch viel Geld in Kinderfernsehen investieren.»