Seit Jahrzehnten reisen die Abrafaxe durch Raum und Zeit – von der DDR-Zeit bis heute. Zum Jubiläum erscheint die 600. Ausgabe des “Mosaik”. Ein Comic, der längst Kult ist.
Man sieht es ihnen nicht an, aber die sympathischen Comic-Kobolde Abrafaxe feiern 50 Jahre. “Das Geheimnis der Grotte” lautete Anfang 1976 der Titel der ersten Ausgabe. Es ist der Beginn einer ostdeutschen Erfolgsgeschichte, die auch 35 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung andauert. Am Mittwoch erscheint die 600. Mosaik-Ausgabe, wie das Heft seit DDR-Zeiten heißt. Abrax, Brabax und Califax – so die Namen der drei Abrafaxe – reisen seit Jahrzehnten durch Raum und Zeit. Sie waren in Amerika, bei den antiken Römern und Griechen, in Japan oder auch in der Hansezeit.
Aktuell kündigt sich ein Wiedersehen mit einem ihrer größten Widersacher an: Der Schatten eines Don Ferrando genannten Spaniers mit zwielichtigem Charakter ziert die letzte Seite der Ausgabe 599. Mit der Jubiläumsausgabe startet Mosaik ein neues Abenteuer der Kobolde – die Abrafaxe erreichen im Jahr 1600 die Stadt Prag. Weshalb dort der spanische Gesandte Don Ferrando einen Pakt mit dem in der Prager Burg residierenden Kaiser Rudolf II. schloss, wird nach Angaben der Redaktion in den kommenden Monaten gezeigt.
Dicht beieinander sitzen dort die Zeichnerinnen und Zeichner. Die Geschichten entstehen teils mit Zettel und Stift, teils an Computern mit extragroßen Bildschirmen. Jeden Monat gibt es eine neue Geschichte, wobei die Handlungen meist aufeinander aufbauen. Das Comic ist Kult – besonders in Ostdeutschland. So ist denn auch die Redaktion auf Besucher eingestellt. Im Gebäude in Berlin-Westend gibt es sogar ein kleines Kino für Besuchergruppen.
Zu Beginn der 1990er Jahre sei nicht absehbar gewesen, dass es die Abrafaxe Jahrzehnte später noch geben würde, sagt Jens U. Schubert der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Schubert ist Jahrgang 1963 und seit 1986 dabei. Zunächst mehrere Jahre als Zeichner, wechselt er später ins Autorenfach und denkt sich nun die Geschichten für die Abfraxe aus. “Bei aller Exotik der Schauplätze erzählt das Mosaik Geschichten, die mit den Alltagserfahrungen der Leser, mit ihren Herausforderungen und ihren Erlebnissen zu tun haben.”
Mit Exotik beschreibt der Autor die Reisen bis in die entlegensten Winkel der Welt und durch die Jahrhunderte. Damit ermöglichten Abrax, Brabax und Califax auch Bürgern in der DDR das Träumen vom freien Reisen. Die Abrafaxe reisen auch heute noch jeden Monat, die Auflage der Hefte liegt nach Verlagsangaben bei rund 100.000 Exemplaren. Nach eigener Darstellung des Verlags handelt es sich um “die längste Comicgeschichte der Welt”.
In der aktuellen Ausgabe “Der Fels in der Brandung” erleben die drei Abenteurer ein lebensgefährliches Unwetter auf See, wobei es besonders Califax erwischt. Eine Riesenwelle wirft ihn ins Meer. Doch glücklicherweise kann er gerettet werden. “Lesen, lesen, lesen” sei die Grundlage für Geschichten wie diese, erläutert eine Sprecherin den Gästen im Kino der Redaktion.
Museen, historische Städte und Orte zu besuchen zählt ebenfalls zum Redaktionsalltag. Die Geschichten entstehen anhand von Schuberts Skizzen, die das gesamte Team mit Liebe zum Detail zum Leben erweckt. Zeichner Thomas Schiewer sei dabei spezialisiert auf Abrafaxe, die er ausschließlich zeichne. “Aus Spaß hat er einmal die Haare von Califax mitgezählt – es sind: 76”, berichtet die Sprecherin. Die speziellen Pinsel der Zeichner, aus dem Schweifhaar vom Winterpelz sibirischer Rotmarder gefertigt, halten ein bis vier Mosaik-Hefte.
Über die Jahrzehnte wurden drei Hauptfiguren zeichnerisch nur sehr behutsam angepasst. So ist bis heute der kugelige Califax, ein Genießer weltweiter Kulinarik, mit seinem dunklen Haarwuschel unverwechselbar. Er geht Gefahren lieber aus dem Weg – ganz im Gegensatz zum schlanken, blonden Abrax. Er ist nie um ein neues Abenteuer verlegen. Hinzu kommt Brabax. Unter seinem roten Beattles-Schopf verbirgt sich ein echtes Superhirn, das den Freunden immer wieder Auswege aus scheinbar aussichtslosen Situationen weist.
Anfangs waren ihre Hauptrollen nicht vorgezeichnet. Es ist Harlekin, als selbst ernannter König der Spaßmacher, der in den ersten Ausgaben die zentrale Figur ist. An der Adriaküste in Dalmatien trifft er auf die drei Freunde. Fast hätten diese ihn direkt in der Ausgabe 1 mit ihrer Muskete erschossen, saust doch ein Fehlschuss von Abrax nur um Haaresbreite an seinem Kopf vorbei.
Gemein ist den “drei sonderbaren Kerlchen”, wie Harlekin sie vorstellt, ihr großer Sinn für Gerechtigkeit. Um Bösewichten das Handwerk zu legen und deren Opfern zu helfen, werden eigene Interessen hintangestellt. Immer wieder finden die kleinen Kobolde neue Freunde und einflussreiche Beschützer. Die Herausforderungen ziehen sich teils über Monate hin, Fans warten gespannt auf die nächsten Folgen. Ein Erfolg, der nicht selbstverständlich ist.
“Es gab in der frühen DDR durchaus öffentlich geführte Debatten, darüber, ob eine Bildergeschichte – der Begriff Comic wurde damals von Gegnern des Mosaiks in abwertender Absicht gebraucht – Teil der sozialistischen Publizistik sein könne”, berichtet Schubert. “Letztlich hatte das Heft aber auch unter führenden Funktionären genügend geneigte Leser, die für seine Weiterexistenz votierten, und so blieb das Mosaik Teil der kleinen Freuden im Alltag von Millionen DDR-Bürgern.”
Heute wird Mosaik von der Stiftung Lesen empfohlen – für das Erlernen von Lesekompetenz. “Comics wie das Mosaik verbinden Unterhaltung mit Bildung und schaffen damit einen niedrigschwelligen Zugang zur Welt des Lesens”, sagt Geschäftsführerin Sabine Uehlein der KNA. “Genau solche vielfältigen Formate und Zugänge sind entscheidend, um möglichst viele Kinder und Erwachsene für das Lesen zu begeistern und langfristig Lesefreude zu fördern.”