Als Maler war er eher mittelmäßig, als Baumeister respektabel. Als Kunsthistoriker aber, ja als Begründer dieser Zunft, fand der Toskaner Giorgio Vasari seine eigentliche Bestimmung.
Ein Literaturkritiker schafft selten eigene Literatur – zumindest veröffentlicht er sie nicht. Auch bei Kunstkritikern ist das eigene Künstlern oft kritisch. Giorgio Vasari ist eine Ausnahme: Er war selbst Maler der Medici, Architekt der Uffizien in Florenz – und Literat. Der Nachwelt ist der “Erfinder” von Gotik, Renaissance und Manierismus vor allem als “der erste Kunsthistoriker” in Erinnerung. Sein eigentliches Werk sind seine Schriften über die Kunst der Anderen.
Vasaris 108 Viten der “piu eccellenti architetti, pittori et scultori italiani” sind das Who is Who der größten Zeit der italienischen Kunst. Leonardo da Vinci, Raffael, Tizian oder Sandro Botticelli: Von ihnen allen wüssten wir weniger, ja teils fast nichts ohne Vasaris Beschreibungen. Trotz seiner stilisierenden Verzeichnungen und der deutlichen Neigung zur Eloge sind die Lebensbeschreibungen die wichtigste Quelle über die Schöpfer der Renaissance in Italien.
Die eigentliche Idee hinter Vasaris Biografien: Er schildert die Entwicklung der Kunst von Giottos Lehrer Cimabue (1240-1302) bis hin zu Michelangelo Buonarroti (1475-1564) als die Geschichte einer Vollendung. Erst Michelangelos Besessenheit und Leidensbereitschaft für sein Werk weckte in Vasari die Notwendigkeit einer Kunstgeschichtsschreibung. Dabei ging es ihm keineswegs um wissenschaftliche Werktreue: Mit Übertreibungen und Klitterungen trug er zu vielen Legendenbildungen bei.
Leonardos “Gioconda” bezeichnete Vasari als die “Mona Lisa”. Und auch der Begriff “Renaissance”, der die zeitgenössische Rückbesinnung auf die Kunst der Antike auf den Punkt bringt, soll seine Erfindung sein. Vor allem aber geht die Bezeichnung Gotik auf ihn zurück. Als “gotico” (barbarisch, fremdartig) erschien ihm die spitzbogige, gewaltige, ja monströse Architektur und Kunst aus dem Norden, die in Italien einen eher gemäßigten, mediterran adaptierten Niederschlag fand. Was die Teutonen hervorbrachten, war für ihn kein Vergleich mit dem Goldenen Zeitalter der Antike.
1511 wurde Vasari im toskanischen Arezzo geboren. Der Name leitet sich von den “vasaio” ab, den dortigen Töpfern. Giorgios Vater schaffte es, den Jungen bei den Medici in Florenz unterzubringen. Mit den Söhnen der Familie wurde er gemeinsam unterrichtet und konnte sowohl sein künstlerisches als auch sein literarisches Talent entwickeln. Unterbrochen wurde diese hoffnungsvolle Perspektive durch den Aufstand der Florentiner gegen die Herrschaft der Medici im Mai 1527. Die Republik wurde neu ausgerufen, die alte freiheitliche Verfassung wiederhergestellt.
Der junge Vasari zog es vor, vorerst in seine Heimatstadt zurückzukehren – von wo es ihn mit 19 Jahren erstmals nach Rom und erst danach zurück nach Florenz zog. Auf Reisen durch Italien erlebte er die großen Werke der Renaissancekünstler seit dem Florentiner Cimabue aus drei Jahrhunderten.
Vasaris Schicksal und Wirken blieb mit dem der Medici engst verwoben. Als Herzöge von Florenz errichteten sie eine Art Musterdiktatur, in der die Kunst nun vor allem dem Ruhm des eigenen Hauses dienen sollte. Großbürgerliche Interpretationen wie noch unter Lorenzo dem Prächtigen (1449-1492) waren nicht mehr gefragt.
Kritiker beschreiben Vasari als “Kunstintendanten”, ja einen “Hohepriester der Medici”, der das Weihrauchfass allzu heftig schwenkte. Mit seinem 1572 vollendeten Freskenzyklus im Palazzo Vecchio betrieb er eine dynastische und sogar religiöse Verklärung des Herzogshauses, deren Oberhäupter buchstäblich in himmlische Sphären emporgetragen wurden.
Nach dem großen Hochwasser von 1557 wirkte Vasari als Baumeister am Wiederaufbau von Florenz mit. Am 27. Juni 1574 starb er in der Stadt am Arno, zehn Jahre nach Michelangelo Buonarotti, den er zum “göttlichen Künstler” stilisiert hatte. Als Maler eher mittelmäßig, als Baumeister respektabel, war Vasari als Kunsthistoriker bedeutend. Sein Grab fand er in seiner Heimatstadt Arezzo.