Eine schwerkranke Mutter beschließt zu sterben und wird in den letzten Wochen und Tagen von ihrer Tochter begleitet. Das Warten auf den Tod birgt tragische ebenso wie komische Elemente des endgültigen Abschieds.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Juliane (Birte Schnöink) muss der schmerzhaften Tatsache ins Auge blicken, dass ihre alte Mutter in kurzer Zeit sterben wird. Kerstin (Elsie de Brauw), eingesperrt in einen schwer kranken Körper, bewegungsunfähig und nahezu stumm, hat beschlossen, nichts mehr zu essen und zu trinken. Es ist die einzige Möglichkeit, ihr Leiden zu beenden. Aktive Sterbehilfe ist keine legale Option; und die in einem katholischen Pflegeheim untergebrachte Kranke möchte niemanden zu ihrem “Mörder” machen. Während die Tochter den langsamen Sterbeprozess begleitet, kommen Freunde und Angehörige vorbei, um sich zu verabschieden. Doch der Tod lässt sich Zeit.
Regisseurin und Autorin Jessica Krummacher weiß genau, wovon sie hier spricht. Sie hat einen ähnlichen Sterbeprozess mit ihrer eigenen Mutter selbst erlebt und ihre Erfahrungen in eine filmische Sprache übersetzt. Ihr tief berührender Film von 2022 vergegenwärtigt das Sterben in einer klugen Mischung aus unmittelbarem Realismus und Abstraktion. Er nähert sich dem Tod in atmenden Bildern und mit einer lyrischen Sprache an und schildert das Ende anhand winziger Details, gesprochener Worte, Texte und liebevoller Gesten, die unter die Haut gehen.
Immer wieder sagt Juliane zu sich, zu der sterbenden Mutter und zu den Zuschauern, die dem Film folgen, was unabwendbar kommen wird. Das ist das Sterbezimmer, hier wird es passieren: die Schmerzen, die Furcht vor der Nacht, das Morphium, die Halluzinationen. Die Zeit, die es braucht, bis das letzte Stück Leben aus dem schwindenden Leib gewichen ist.
“Jetzt geht es los.” Kerstin, Julianes Mutter, eingesperrt in einen schwer kranken Körper, bewegungsunfähig und nahezu stumm, hat beschlossen, nichts mehr zu essen und zu trinken. Es ist die einzige Möglichkeit, ihr Leiden zu beenden. Aktive Sterbehilfe ist keine legale Option; die in einem katholischen Pflegeheim untergebrachte Kranke möchte niemanden zu ihrem “Mörder” machen.
Jessica Krummacher weiß genau, wovon sie hier spricht. Sie hat es mit ihrer eigenen Mutter selbst erlebt und ihre Erfahrungen in eine filmische Sprache übersetzt. Dass ihr Spielfilm “Zum Tod meiner Mutter” von 2022 nah am Sterben erzählt ist und doch auch von außen, wird von Beginn an deutlich. Die Position der Figuren im Bild ist ungleich verteilt: Juliane (Birte Schnöink) hängt stets am unteren Rand, rutscht fast aus dem Bild; der Palliativarzt ist frontal und im Close-Up zu sehen. Wie die Überschrift zu einem Gedicht wird der Titel des Films von der Figur aus dem Off eingesprochen: “Zum Tod meiner Mutter.”
Das Essen halte bekanntlich Leib und Seele zusammen, erklärt der Kellner, als er den Pfälzer Saumagen gewissenhaft in Stücke schneidet und auf die Teller verteilt. Juliane ist von einem befreundeten Paar in ein gut bürgerliches Restaurant eingeladen worden, in dem auch Helmut Kohl gerne speiste. Die Nachricht von der Verweigerung der Nahrung verleiht dem Essen plötzlich etwas Fremdartiges, fast Unangemessenes. Gespräche über Grillfleisch, Wurstpellen, Eis, Sahne und Beeren aus dem eigenen Garten. Immer wieder grätschen absurde Momente in eine Situation überwältigender Traurigkeit.
Während Pflegerinnen ihre tägliche Arbeit am sterbenden Körper verrichten, kommen Freundinnen und Angehörige vorbei, um sich zu verabschieden. Ein Brief, von Kerstin (Elsie de Brauw) in den 1970er-Jahren geschrieben, wird verlesen, und es ist schwer zu begreifen, dass die so lebendige Stimme, die daraus spricht, zu dem dahinsiechenden Menschen gehört. Eine andere Freundin erinnert sich an zu viel Ouzo und eine Darminfektion während eines gemeinsamen Urlaubs, worauf sich der Körper der Mutter zu einem röchelnden Lachen aufbäumt, das in ein Weinen übergeht.
Juliane sitzt und liegt Tag und Nacht neben dem Bett der Sterbenden, wartet und wacht. Manchmal liest sie aus dem Briefwechsel zwischen Bertolt Brecht und Helene Weigel vor.
Die vibrierende Kamera des Bildgestalters Gerald Kerkletz atmet mit den Figuren, schafft ihnen selbst in der größten Enge Raum. Lichte Momente in der Natur und in der Umgebung des Pflegeheims wechseln mit dem Kammerspiel im Sterbezimmer. In dem weinrot gestrichenen Raum, der außerhalb des realen Pflegebetriebs in seiner ganz eigenen filmischen Welt existiert, schrumpft die Welt zusammen, entgleitet das Außen.
Der Sterbeverlauf in all seinem Fortschreiten und Stocken wird beherrschend, das Keuchen und Stöhnen, die Bitte nach Morphium, so fordernd gestellt, dass Juliane lachen muss, die zur Kralle versteifte Hand der Mutter, die tröstend über den Kopf der Tochter streicht. Der ausgesprochene Wunsch, die Mutter könne bald sterben, endlich erlöst werden; Liebesworte, Fragen, weniger an das Gegenüber als in den Raum gestellt: “Wie ist der Tod?”. Sicher ist nur: Er lässt sich Zeit.
Womöglich hat sich noch kein Film so intensiv und umfassend mit dem Ableben befasst wie “Zum Tod meiner Mutter”. Mit seiner Unfassbarkeit und Alltäglichkeit. Mit der Nähe und Intimität, aber auch dem Befremden, das einsetzt, wenn ein Mensch, der schon immer da war, weniger wird, sich auflöst und bald verschwunden sein wird. Aber auch mit der Unmöglichkeit, das Sterben zu teilen, selbst wenn man bis zur Erschöpfung an der Seite ist und dabei in eine ganz eigene Daseinsform abdriftet. “Es ist unmöglich, in dein Leid einzudringen”, sagt Juliane einmal.