Als er das Licht der Welt erblickte, vor 100 Jahren in dem Städtchen Winnetka in Illinois, hieß er Roy Harold Scherer. Hollywood-Karriere machte er unter dem Künstlernamen Rock Hudson: Der am 17. November 1925 geborene Schauspieler mit kantigem Gesicht und breiten Schultern war auf der Leinwand Inbegriff von Männlichkeit, ein Kinostar aus einer Zeit, die als Hollywoods goldene Ära gilt. Auf eine andere Art in die Geschichte eingegangen ist Hudson nach seinem Tod im Oktober 1985: Er war der erste Prominente, der an den Folgen von Aids starb, dieser damals erst seit wenigen Jahren bekannten, gefürchteten und mit Vorurteilen behafteten Immunschwächekrankheit. Die letzten Fotos von Hudson zeigen ein hageres Gesicht mit eingesunkenen Augen.
Rückblickend weiß man: Rock Hudsons Schicksal hat den gesellschaftlichen und politischen Umgang mit Aids in den USA verändert. Da war nun plötzlich jemand, den man anhimmelte, der an dieser entsetzlichen Krankheit sterben sollte. Fans verehrten Rock Hudson als Bootskapitän in „Magnificent Obsession“ (1954) mit Jane Wyman, der früheren Ehefrau von Schauspieler Ronald Reagan, als Playboy in der Komödie „Pillow Talk“ mit Doris Day (1959), im Kriegsfilm „Tobruk“ als Major Donald Craig (1967), im Katastrophenfilm „Avalanche“ (1978) mit Mia Farrow.
Im ABC-Fernsehen erklärte eine Sprecherin der Stiftung „AIDS Medical Foundation“ nach der Nachricht von Hudson Tod, dass die Krankheit eben „nicht nur eine Krankheit der Unterwelt“ sei. Auch wohlhabende Menschen mit Zugang zur besten ärztlichen Versorgung könnten an Aids sterben – damals waren moderne antiretrovirale Medikamente noch nicht entwickelt. Aids galt in den USA zu Beginn der 80er Jahre als Krankheit, die vor allem junge schwule Männer betrifft. Fernsehprediger Jerry Falwell, Gründer der rechtschristlichen Organisation „Moralische Mehrheit“, bezeichnete Aids als „göttliche Strafe“, wenn Menschen „Gottes Gesetze“ missachteten.
Der damalige US-Präsident Ronald Reagan sah offenbar keine Dringlichkeit zu handeln, trotz Tausender Todesfälle. Anfang 1984 legten Anthony Fauci vom US-Institut für Infektionskrankheiten und andere Wissenschaftler einen Bericht vor, in dem sie vor einer Sterblichkeitsrate von vermutlich 100 Prozent warnten. In den Regierungen von Donald Trump und Joe Biden wurde Fauci später Chefberater für den Kampf gegen die Covid-Pandemie.
Hudsons Erkrankung wurde am 25. Juli 1985 bekannt gemacht. Der Schauspieler war nach Paris zu einer experimentellen Behandlung gereist. Seine Sprecherin Yanou Collart trat dort vor Reporter: „Mr. Rock Hudson hat Acquired Immune Deficieny Syndrome, das vor mehr als einem Jahr in den Vereinigten Staaten festgestellt wurde.“ Das war die Schlagzeile in wohl jeder Zeitung in den USA.
In Rückblicken hieß es, der Schauspieler habe ein „Doppelleben“ geführt. „Hollywood“ habe wohl gewusst, dass der Frauenschwarm schwul war. Die Öffentlichkeit sollte das nicht erfahren: Sein Talent-Agent Henry Willson habe eine „Heirat“ mit seiner Sekretärin arrangiert.
Hudsons Biograf Mark Griffin (All that Heaven Allows: A Biography of Rock Hudson, 2018) schrieb, dass Hudson frühzeitig habe Schauspieler werden wollen. Wie, das habe er nicht so recht gewusst. Er habe in Los Angeles einen Job als Lieferwagenfahrer angenommen und vor Hollywood Studios geparkt – in der Hoffnung, irgendjemand würde ihn entdecken.
Er sei auf den Agenten Henry Willson gestoßen, der das Potenzial des gutaussehenden Mannes sofort erkannt habe. Willson habe den Namen Rock Hudson erfunden und den Träger dieses Namens entsprechend gestaltet als männlichen Mann: Schauspielunterricht, die Stimme musste tiefer werden, die Körperhaltung selbstbewusster. Als Rock Hudson bekam er allmählich Filmangebote. In der Öffentlichkeit blieb er sein ganzes Leben lang in dieser Rolle.
Wenige Wochen vor Hudsons Tod verlas Schauspieler Burt Lancaster bei einer von Hollywood-Star Elizabeth Taylor organisierten Gala für Aids-Forschung einen Brief des Schauspielers. Er sei „nicht glücklich“, dass er Aids habe, ließ Hudson mitteilen. Er habe aber die Hoffnung, dass sein eigenes Unglück positive Folgen für andere haben werde.
Im Oktober 1985, Hudsons Sterbemonat, bewilligte der US-Kongress 190 Millionen Dollar für die Aids-Forschung. Die erste Therapie gegen die Krankheit, das Medikament AZT, wurde 1987 in den USA zugelassen. Eine Aids-Diagnose sollte fortan kein Todesurteil mehr sein.